Runenschwert
Abfallgrube herumgestochert hatte, einen Schädel zutage. Es war kein Tierschädel, und mir wurde übel. Nicht nur Bohnen und Melonen. Auch Fleisch. In einer Gegend, wo wir nicht einmal eine Eidechse gesehen hatten.
Wir fanden ihre Vorratskammer dort, wo wir sie vermutet hatten … unter der Erde, wo es kühl war. Sie hätten das Fleisch in Tücher einwickeln sollen, um die Fliegen abzuhalten, denn einiges war schon zu madig, um noch genießbar zu sein.
Aber das hatten sie anders gelöst. Sie konnten ihr Fleisch länger frisch halten, denn sie schnitten nur das ab, was sie brauchten, dann verbanden sie die Wunden, damit das Opfer nicht verblutete. Als wir vier Männer ohne Arme und Beine fanden, die mit den Schulterblättern an Haken hingen, musste ich mich fast übergeben, und Finn wäre denen, die in die Berge flohen, am liebsten hinterhergerannt.
Drei von den vieren waren tot. Der Vierte lebte kaum noch – und wir kannten ihn. Finn wusste, dass er Godwin hieß, ein Christus-Anhänger und Sachse aus dem Danelag. Er sprach ihn mit dem Namen an, unter dem ihn alle kannten: Puttoc, ein Wort, das bei den Angeln und Sachsen anscheinend » Bussard« bedeutete, aufgrund seiner großen, gebogenen Nase. Wir kannten ihn, denn er war einer von Starkads Männern und hatte bei unserem Wortwechsel an Ivars Scheiterhaufen mit finsterem Gesicht hinter seinem Herrn gestanden.
Nachdem wir ihn vom Haken abgenommen hatten, lag er in der Kühle dieses stinkenden Raumes und griff mit seiner verbliebenen Hand nach Sighvats Ärmel. Der andere Arm war direkt unterhalb der Schulter abgeschnitten und mit blutverkrusteten Lederriemen abgebunden worden.
» Helft mir«, hauchte er, und Sighvat sprang auf und wich zurück wie unter einem Dolchstoß. Bruder Johannes kniete sich hin und fing an, leise und monoton zu beten, um Godwin auf den Weg zu seinem Christengott zu bringen, und wir versammelten uns im stinkenden Halbdunkel und hörten seiner Beichte zu, einer so grausamen Sage, wie nur Skallagrimsson selbst sie sich ausgedacht haben konnte.
Sighvat, der einen Moment wortlos und sich wiegend dagesessen hatte, stand auf und ging hinaus. Ich merkte es nicht gleich, ich war zu sehr mit Godwins entsetzlichen Bekenntnissen beschäftigt.
Er war einer von Starkads Männern, also war dieser erbarmungslose, unnachgiebige Hund hier gewesen. Das bedeutete, dass Martin der Mönch auch hier gewesen war, und dieses Wyrd traf mich wie ein Schlag, denn es schien, dass die Nornen mit unseren Lebensfäden ein ganz besonders vertracktes Abnehmspiel spielten. Obwohl wir alle Starkad tot sehen wollten, waren wir uns einig, dass er ein gefährlicher Hund war und nicht besser als sein Ruf. Ich hoffte, der Mönch sei schon zu Eintopf verarbeitet worden, aber irgendwie bezweifelte ich es, denn der würde sich, wenn nötig, auch noch aus einem Kochtopf herauswinden.
Die Wächter des Bergwerks, so erzählte Godwin mit kaum hörbarer Stimme, waren einzeln oder in Gruppen geflüchtet, dann war es den Gefangenen gelungen, sich von ihren Fesseln zu befreien – doch da waren sie schon halb verhungert. Godwin glaubte, einige der Sklaven seien ehemalige Soldaten aus der Großen Stadt gewesen; sie hatten die Führung übernommen, das Dorf Aindara geplündert und die Bewohner vertrieben. Dann war diese Nahrungsquelle auch versiegt, und die ehemaligen Sklaven fingen an, ihre eigenen Leute zu verspeisen.
In dem Moment war Godwin zusammen mit Starkads Gefolge eingetroffen, hungrig und durstig. Der Anführer der befreiten Gefangenen, den die Griechen Pelekanos und die Sarazenen Qulb al-Kuhl nannten, hatte sie sofort angegriffen. Auf beiden Seiten hatte es viele Tote gegeben, und Starkad war mit seinen verbliebenen Leuten geflohen. Godwin war gefangen genommen worden und musste wochenlang Bohnen essen, ehe sie anfingen, ihn zu zerlegen.
» Verdammt ärgerlich, dass wir diesen Pelekanos heute nicht erledigt haben«, knurrte der kleine Eldgrim. » Wenn er Starkad umgelegt hätte, hätte ich mich bei ihm bedankt – aber dann die Leber rausgeschnitten und ihn gezwungen, sie zu fressen, als Warnung.«
Godwins vom Tod gezeichnete Miene verzog sich zu einem leichten Grinsen. » Ihr habt heute nicht mit Pelekanos gekämpft. Das war Giorgios der Armenier. Der wollte nicht mit Pelekanos gehen, der völlig durchgedreht ist und anscheinend Starkad umbringen will. Sie haben sich getrennt, aber nicht als Freunde. Pelekanos nahm einen Teil der Leute mit, ein paar als Soldaten, einige
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