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Runenschwert

Runenschwert

Titel: Runenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Low Robert
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Kopf, das von einem guten Helm geschützt werden müsste.«
    Sie stritten noch eine Weile, und auch ich zog mein Kettenhemd an, das gut eingefettet war und sich selbst in dieser Hitze kühl anfühlte. Ich prüfte die Riemen und die Schneide meines Schwerts, doch musste ich die ganze Zeit darüber nachdenken, ob es sich tatsächlich um Inger den Slawen handelte, der doch einer der Männer war, die wir befreien wollten.
    Wenn er es war, warum führte er dann die Männer an, die seine Rudergefährten als Gefangene hielten? Waren die anderen bereits tot und aufgefressen? Handelte es sich bei dem Mönch wirklich um Martin? Und wer waren die Männer, die das Dorf verteidigt hatten? Vielleicht Valgard und die anderen, denen die Flucht gelungen war?
    Um diese Fragen kreisten meine Gedanken, genau wie der Vogelschwarm, der aus den Feldern aufgestiegen war, als wir weiterzogen und die jammernden und wehklagenden Flüchtlinge zurückließen. Schwarz-weiße Vögel, die ganz niedrig flogen, bis einer davon schließlich auf einem Pfosten landete. Er legte den Kopf auf die Seite und sah uns an.
    Sighvat blieb stehen, und wir anderen nahmen vorsorglich eine gebückte Kampfhaltung an, sahen uns nach allen Seiten um und hoben die Schilde.
    » Was ist?«, zischte ich ihm zu.
    » Eine Elster«, verkündete er düster.
    » Bei Odins Eiern«, knurrte Kvasir. » Wenn es keine Bienen sind, sind es Vögel. Was ist denn jetzt wieder los, Sighvat?«
    Ich sah, wie der Ziegenjunge sich bekreuzigte, dann sah er mich an und umklammerte das Thor-Amulett. » Ein schlechtes Zeichen«, sagte er. » Die Elster ist der einzige Vogel, der für Christus keine Trauer anlegte. Eine allein bedeutet Unglück.«
    Finn spuckte verächtlich aus. » Jetzt fängt der Junge auch schon damit an.«
    Sighvat zuckte mit den Schultern. » Ich weiß nicht, was die Christenleute glauben, auf jeden Fall aber ist es interessant. Das ist der Vogel von Hel, Lokis Tochter, und er ähnelt ihrem Gesicht, zur Hälfte dunkelhäutig, zur anderen Hälfte hell. Er ist ihre Fylgia, die all jene holt, die nicht nach Walhall kommen.«
    Die Männer machten Abwehrzeichen, und die Angst breitete sich unter ihnen aus wie Gestank aus einem Sumpf.
    » Dann sind wir also alle verloren?«, fragte eine Stimme aus der Menge. Da wusste ich, was ich zu tun hatte, aber in meinem Mund hatte ich den metallenen Geschmack von Jarlsilber, als ich sprach.
    » Nein, nicht alle«, sagte ich. » Nur einer ist verloren, und der hat es ja selbst angekündigt.«
    Sighvat sah mich an, schloss kurz die Augen und nickte. Fast hörte ich Einar kichern, als die anderen erleichtert aufatmeten.
    » Vorwärts«, sagte ich entschlossen, und sie trabten los. Sighvat sah mich mit schiefem Lächeln an und folgte ihnen; die Elster putzte sich, dann flog sie mit wippendem Schwanz über die Straße. Botolf sah sich halb nach ihr um, ehe er hinter den anderen herlief.
    » Wird er sterben?«
    Es war der Junge, der mit hoher, leiser Stimme gefragt hatte, wobei er mich ansah und die Hand am Amulett hatte.

    Das Vieh stirbt, die Freunde sterben,
    Endlich stirbt man selbst;
    Doch nimmer mag ihm der Nachruhm sterben,
    Welcher ihn sich gut gewann.
    Ich sagte ihm die Worte, wie ich sie von Einar in Erinnerung hatte. Es war in einer anderen Welt gewesen, auf dem Berg in Karelien, kurz bevor er Starkad die Verletzung zufügte, die ihn seitdem hinken ließ. Ob der Junge es verstand, war eine andere Sache, aber er nickte überraschend verständnisvoll.
    Dann legte er den Kopf auf die Seite und sagte: » Die Dorfbewohner hungern. Nirgendwo gibt es eine Ziege oder ein Huhn, wie sollen sie uns also versorgen, wenn sie selbst nichts zu essen haben?«
    Er war nicht auf den Kopf gefallen, und ich erinnerte mich, dass Einar mich einst genauso angesehen hatte, wie ich ihn jetzt ansah, nachdenklich, eine Augenbraue hochgezogen.
    » Die meisten Menschen denken geradlinig«, sagte ich und hörte das Echo von Einars Worten, die er in Birka zu mir sagte, ehe wir die Stadt niederbrannten. » Sie sehen nur das, was sie selbst tun, den einzelnen Faden auf dem Webstuhl der Nornen. Sie sehen ihr Leben lang alles nur mit ihren eigenen Augen. Es ist eine seltene Gabe, neben sich zu treten und die Dinge mit den Augen anderer zu sehen; das kann man nicht lernen.«
    Er nickte, als hätte er verstanden. Dann runzelte er die Stirn und dachte nach, und ich wartete. Er hatte sich von seiner Verwundung gut erholt und zuckte nur noch selten zusammen, wenn seine Lunge

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