Runenschwert
es dürfte leichter sein, einen dieser fliegenden Teppiche zu finden«, sagte Sighvat und streichelte die Köpfe seiner Raben, die fast zu zahm geworden waren, um noch von Nutzen zu sein. Sie hockten auf Sighvats Schultern wie die Fylgjas Odins.
» Ich hoffe, wir treffen Starkad recht bald, damit wir nicht bis ganz nach Serkland müssen«, sagte ich und Amund pflichtete mir bei. Er sagte, der Gedanke an die vielen Schlangen mache ihm am meisten zu schaffen . Bruder Johannes klopfte ihm beruhigend auf die Schulter.
» Kein Problem«, sagte er, » ich komme doch schließlich aus dem Land, wo alle Schlangen vom heiligen Patrick verbannt worden sind. Uns wird keine Schlange etwas anhaben, denn sie wissen, wo meine Füße gegangen sind.«
» Und außerdem«, fügte Sighvat hinzu, » habe ich ein Stück Hirschgeweih mit.«
Jetzt war es an Bruder Johannes, verständnislos in die Runde zu blicken, und Sighvat erklärte ihm, dass eine Hirschkuh nicht trächtig werden kann, ehe sie eine Schlange gefressen hat, deswegen verfolgen sie Schlangen auf Schritt und Tritt. Und dass Schlangen flüchten, sobald sie einen Hirschbullen sehen. Deshalb sei ein Stück Hirschgeweih der beste Talisman gegen Schlangen, und es genüge, dass man ein paar Späne im Feuer verbrenne, denn allein dieser Geruch töte jede Schlange.
Bruder Johannes nickte sehr ernsthaft. Andere Christenpriester – darunter ganz bestimmt auch Martin – hätten sich bekreuzigt, um das Böse abzuwehren, und hätten Sighvat einen Heiden genannt, weil er an solches Teufelszeug glaubte.
Am nächsten Tag hatten wir ungünstigen Wind und mussten uns schwer ins Zeug legen, ehe wir sicher im Hafen von Larnaka anlegen konnten. Wir näherten uns der Stadt sehr vorsichtig und kreuzten gegen den Wind, der uns beim geringsten Anzeichen, dass Starkad dort war, sofort wieder hinausgetragen hätte.
Die Stadt, das konnte man bereits von Bord aus sehen, war ein Gewirr von weißen Häusern, christlichen Kirchen und einer mächtigen Festung auf einem Berg. Die geschwungene sandige Bucht lag voll mit kleinen, bunten Fischerbooten mit aufgemalten Augen am Bug, womit die Griechen sich die bösen Geister vom Leib hielten. Dahinter sah es aus wie auf allen Inseln hier: grauer Fels und grauer Sand, der spärlich mit trockenen grau-grünen Sträuchern bewachsen war.
» Nette Gegend«, bemerkte Kvasir, als wir am Kai anlegten, und schnupperte in den Wind, der Kochdüfte zu uns herübertrug. » Ich rieche, dass es hier irgendwo was zu Trinken gibt.«
» Spar dir deinen Durst für später auf«, sagte Finn und deutete mit dem Kopf dorthin, wo wir eine Ansammlung von Menschen sahen, die teils neugierig, teils ängstlich in unsere Richtung blickten. Angeführt von einem Mann auf einem Pferd kam von der Festung eine Reihe bewaffneter Männer zum Kai heruntermarschiert, ihre Speere blitzten in der Sonne.
Die Männer flüsterten untereinander und griffen nach ihren Waffen, aber ich deutete lachend auf die Katze, die sich schlafend unter einem Fischernetz zusammengerollt hatte.
» Heute wird es hier keine Schlacht geben«, sagte ich und Sighvat nickte grinsend. Die anderen sahen uns verständnislos an, aber Sighvat hatte sich erinnert. Man sieht viele merkwürdige Dinge bei einer Schlacht. Aber du wirst nie eine Katze auf einem Schlachtfeld sehen.
Im Geiste sah ich wieder Skartis glühendes Gesicht, wie er von Fieberschauern geschüttelt im Schildwall vor der pockennarbigen Mauer von Sarkel stand und mir zähneklappernd diese alte Weisheit mitgeteilt hatte. Wie ein Zeichen Odins hatten wir einen Vogel gesehen, der in diese staubige Hölle aus Pfeilen und Blut geflogen war, sich auf einem der Belagerungstürme niederließ und angefangen hatte zu singen.
Wenige Minuten später hatte Skarti einen Pfeil im Hals und sprach nie wieder, also war es für ihn ein böses Omen gewesen. Vielleicht hatte er es gewusst.
Jetzt hoffte ich, das Omen richtig zu lesen. Ich hatte darüber nachgedacht, ob Starkad hier gelandet sein könnte, und hatte es für unwahrscheinlich gehalten. Er hatte ein Schiff mit seinen Männern und einem Empfehlungsschreiben hierhergeschickt und wollte um jeden Preis vermeiden, in diesen Auftrag verwickelt zu werden. Er würde so schnell wie möglich nach Serkland segeln, um seinen Mönch zu suchen. Ich betete zu Odin, dass es möglichst lange dauern möge, bis er meine Lüge durchschaute. Ich brauchte Zeit, um ihn dorthin zu locken, wo ich ihm das Runenschwert zu meinen
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