Runenschwert
nicht durch Weisheit bestimmt. Mit deiner Jugend widerstehst du anscheinend allen Verletzungen. Auf der anderen Seite haben wir hier Ivar Gautr, der ganz gelb ist und immer mehr schrumpft, obwohl die Pfeilwunde in seiner Wange geheilt ist.«
Mir lief es kalt über den Rücken, denn ich ahnte, warum ich allen Verletzungen widerstand – aber würde das im Laufe der Zeit nicht nachlassen, wo ich doch jetzt die Runenschlange nicht mehr besaß? Doch diese Gedanken waren schnell verschwunden, als Svala erschien, ganz erfüllt von ihrer Neuigkeit.
Sie achtete nicht auf Radoslaws breites Grinsen, sondern sah mich an, legte den Kopf auf die Seite und sagte: » In der Stadt spricht man von nichts anderem als vom Amphitheater, das gestern Abend überflutet wurde, obwohl niemand gesehen hat, wie es passiert ist.«
» Was du nicht sagst!«, erwiderte ich und machte ein verblüfftes Gesicht. » Und ausgerechnet das haben wir verpasst.«
Sie hob eine Augenbraue. » Die römischen Soldaten laufen herum und fragen die Leute aus, und die Baumeister reparieren in der alten unterirdischen Zisterne ein großes Leck. Man will einen Riesen mit einer Axt gesehen haben.«
In dem Moment erschien Botolf mit einem neuen Kamm, im Schlepptau zwei kichernde Mädchen, die es gar nicht erwarten konnten, seine rotblonde Mähne damit zu bearbeiten. Doch als sie Svala sahen, fiel ihnen plötzlich ein, dass sie dringende Aufgaben zu erledigen hatten. Ihre Gesichter wirkten fast ängstlich, was mich verwunderte. Svala bedachte Botolf mit einem charmanten Lächeln.
» Ein Riese«, sagte sie und sah mich an. » Aber keine Axt.«
» Die ist kaputtgegangen«, sagte Botolf grinsend, » aber wenn Orm mir Hacksilber gibt … ich habe eine gesehen, die ich für einen guten Preis bekommen könnte.«
Ich schüttete das Geld aus meinem ziemlich schlaffen Beutel, und sie sah mich noch immer an. Radoslaw lachte leise und ging davon, und plötzlich waren wir allein. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
» Du bist wohl doch nicht so redegewandt, wie ich gehört habe«, sagte Svala. Dann lachte sie und hakte sich bei mir unter. » Aber das macht nichts, denn obwohl du so jung bist, verfügst du über ein paar erstaunliche Fähigkeiten.«
» Na ja, ein paar vielleicht«, brachte ich heiser heraus. Sie wurde rot.
» Deine Träume zum Beispiel.«
Mein Magen fühlte sich an wie bei schwerem Seegang. Was wusste sie über meine Träume?
Doch sie sagte nichts weiter, und schweigend gingen wir eine Weile durch das Lager und sahen uns um. Wir entdeckten Botolf, der, nackt bis zur Hüfte, seine Geschicklichkeit und Kraft demonstrierte, indem er in einer Hand eine Dänenaxt, in der anderen einen Sax mit langem Griff herumwirbeln ließ. Die Zuschauer applaudierten, und der Eigentümer des Sax musste zugeben, dass Botolf die Wette gewonnen hatte und reduzierte den Preis für beide Waffen.
Hocherfreut kam Botolf, um sie mir zu zeigen, und ich bewunderte sie. Hinter ihm sah ich die kichernden Mädchen, die ihm vorher schon gefolgt waren, und als er ging, machten sie sich wieder an ihn heran. Svala schnaubte verächtlich.
» Diese Thyra ist immer brünstig, die überrascht mich nicht – aber Katla und Herdis sollten sich nicht so benehmen«, sagte sie. » Ihre Mütter werden ziemlich wütend sein, ganz zu schweigen von den Vätern. Und Katla sollte es wirklich besser wissen, denn der schwillt der Bauch, sobald sie nur einen Schwanz ansieht. Sie hat schon zwei Kinder und einen ziemlich dummen Mann, doch so dumm auch wieder nicht, dass er ein drittes für sein eigenes halten würde.«
Es war das Wort » Schwanz«, was bei mir Wirkung zeigte. So, wie sie es sagte, hätte sogar ein Heiliger der Christen seine eigene Kirchentür eingetreten. Mit trockenem Mund starrte ich sie an, und sie musste es gemerkt haben, denn sie drehte sich um, sah meinen Blick … und dann sah sie hinunter, dorthin, wo in meiner neuen gestreiften Hose, so weit sie auch war, meine Gedanken nur allzu sichtbar waren.
Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, und sie sah mir direkt ins Gesicht, legte den Kopf auf die Seite und lachte. » Es ist ganz gut, dass du ein paar Ellen Stoff mehr genommen hast«, sagte sie schelmisch. » Lass uns in die Stadt gehen, auf dem langen Weg wirst du dich bestimmt abkühlen.«
Und das taten wir an diesem Tag. Und am nächsten. Und am Tag danach. Und ich kam aus dem Staunen nicht heraus. Wir sahen Gold aus Afrika, Leder aus Spanien, Schmuck aus
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