Runlandsaga - Die Schicksalsfestung
von drei Männern umringt, die Deneb, ohne jemals zuvor in seinem Leben Zwerge zu Gesicht bekommen zu haben, sofort als diese wiedererkannte. Sie waren kaum größer als Jungen, die das Alter des Stimmbruchs erreicht hatten, und auch den Namen »Langbärte«, den die Nomaden ihnen verliehen hatten, trugen sie nicht umsonst.
Als sich der Archivar umwandte, glitzerte in seinem Rücken ein gewaltiger Haufen Schnee an der Stelle, wo sich der Eingang in den Berg befunden hatte. Aus seiner Mitte ragte der obere Rand der als Felswand getarnten Tür heraus, die er mit Pándaros in den Gang geschoben hatte. Bei dem Anblick der Menge an Schnee, aus der er herausgezerrt worden war, schüttelte erneut Kälte seine nassen Glieder. »Hast verfluchtes Glück gehabt, Kleiner«, schnarrte die erste Stimme hinter ihm. »Ohne unsere Hilfe wärst du erstickt.«
Der Zwerg, der gesprochen hatte, hörte sich so bärbeißig an, als tränke er Flirin wie andere Leute Wasser. Deneb schluckte eine Bemerkung darüber, wieso ihn jemand, der zu ihm aufschauen musste, um ihm in die Augen sehen zu können, »Kleiner« nannte, schnell wieder herunter. Er bezweifelte es, dass dieser Zwerg einen guten Witz verstand. Winzige dunkle Augen schimmerten ihn hart wie Kieselsteine unter gesträubten Brauen an. Seiner Kleidung nach musste der Zwerg jemand von Stand sein. Er trug ein ledernes Wams mit kunstvoll bestickter Borte, das ihn als einen Mann von hohem Rang auswies. Trotz seiner schmuckvollen Verarbeitung wirkte es, als könne es seinem Träger in einem Kampf gut als Rüstung dienen. Seine beiden Begleiter besaßen ebenfalls dicke lederne Kleidung, wenn der braune Stoff auch bei weitem nicht so edel aussah.
»Darf ich erfahren, wer mir das Leben gerettet hat?«, fragte Deneb.
»Alle Wetter, du verschwendest keine Zeit«, dröhnte der Zwerg. »Erst einmal will ich wissen, wer du bist. Das hier ist das Reich der Khorazon, und wer es betritt, muss uns Rede und Antwort stehen!«
»Wir wollen auf keinen Fall unhöflich erscheinen«, meldete sich Pándaros schnell zu Wort. »Ich heiße Pándaros, und mein Freund hier wird Deneb genannt. Wir sind Priester des Sommerkönigs in der Stadt Sol.«
»Ich weiß, wo der Orden von T’lar seinen Stammsitz hat«, erwiderte der Zwerg, der bisher das Wort geführt hatte, unwirsch. »Wir befinden uns die meiste Zeit unseres Lebens unter Tage, aber das heißt noch lange nicht, dass wir nicht wüssten, was im Rest der Welt vor sich geht. Es gab eine Zeit, da gingen Männer eures Ordens in Goradia ein und aus, um Schmuck für den Tempel des Sommerkönigs zu erstehen. Aber diese Tage sind lange schon vorbei.«
»Vorbei vielleicht, aber nicht vergessen«, entgegnete ihm Deneb. »Die Schriften unseres Ordens berichten davon, wie die Gründer bei Oldegar vorsprachen, der zu jener Zeit der Herr unter den Eisenbergen war. Er versprach ihnen, unseren Tempel auszuschmücken. Das eisenbeschlagene Haupttor mit seinen eingravierten Bildern aus den Leben der Gründer ist die Arbeit eurer Vorfahren.«
Der Zwerg mit dem vornehmen Wams trat so nahe an Deneb heran, dass der Archivar unwillkürlich einen Schritt zurückwich. »Ihr habt einen Bericht über den Besuch eurer Ordensgründer bei Oldegar Rotbart?«, donnerte er ihn an. Seine Augen schienen diesmal wahrhaftig Funken zu versprühen, aber Deneb und Pándaros erkannten sofort erleichtert, dass es ein Feuer der Begeisterung und nicht des Zorns war, das in ihm loderte.
»Was gäbe ich darum, ihn mit meinen eigenen Ohren zu hören! Oldegar war einer unserer berühmtesten Vorfahren, aber aus dieser Zeit blieben uns nicht viele Zeugnisse erhalten.«
»Es dürfte sich bestimmt einrichten lassen, dass ihr eine Abschrift des Berichtes bekommt«, sagte Pándaros.
»Wenn ihr tatsächlich diejenigen seid, für die ihr euch ausgebt«, meldete sich einer der beiden anderen Zwerge zu Wort. Sein Bart war nicht so beeindruckend lang wie der des Ersten. Silbergrau und drahtig wie die Dachshaarborsten eines Rasierpinsels, den dessen Träger bestimmt noch nie in seinem Leben in die Hände genommen hatte, reichten sie ihm bis zum Halsansatz.
Pándaros seufzte innerlich auf. Zwei T’lar-Priester außerhalb des Ordens anzutreffen war offenbar so ungewöhnlich, dass man ihnen mit Misstrauen begegnete, wann immer sie sich jemandem vorstellten. Doch bevor er beteuern konnte, dass es sich bei ihnen tatsächlich um diejenigen handelte, die sie zu sein vorgaben, rettete Deneb sie aus ihrer
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