Runlandsaga - Sturm der Serephin
Schmerzensschrei entfuhr ihm. Er biss sich hart auf die Lippe, um einen erneuten Schrei zu unterdrücken und Ranár am anderen Ende der Brücke nicht auf sich aufmerksam zu machen. Margon warf einen hastigen Blick über die Schulter zurück, doch ihr Entführer sah kein einziges Mal zu seinen Geiseln herüber. Er war damit beschäftigt, den Rahmen auf dem Podest zu untersuchen.
Enris rieb sich die Hand, mit der er in die Wolke gefasst hatte.
»Was war das denn?«, murmelte er verwirrt. »Mir ist, als hätte mich jemand mit einem Stock geschlagen. Meine Finger sind ganz taub!«
Er fuhr herum und packte Margon an der Schulter.
»Was war das, verdammt noch mal?«
Der Magier zuckte zusammen, als die Heftigkeit der Berührung den Schmerz in seinem gebrochenen Arm aufflammen ließ. Er zwang sich, ruhig zu bleiben. Der junge Mann hatte in kurzer Zeit Dinge gesehen und erlebt, die stärkere Naturen als ihn an ihrem Verstand hätten zweifeln lassen. Er durfte nicht zulassen, dass Enris an den Ereignissen der letzten Stunden zerbrach. Wenn er überschnappte, würde alles noch mehr außer Rand und Band geraten.
Margon sammelte alle verbliebene Kraft in seiner Stimme, um sie in einen Anker für Enris zu verwandeln.
»Hör mir genau zu! Man kann nicht einfach durch das Portal zurückgehen. Es muss sich erneut öffnen und uns hindurchziehen, und der Einzige von uns, der im Augenblick dazu in der Lage sein dürfte, ist dieser Serephin!«
Enris‘ Blick irrte zwischen Margon und Thaja hin und her.
»Ich will hier weg!«, stieß er hervor. »Ich will einfach nur weg von hier!«
Margon atmete innerlich auf. Der junge Mann hatte ihm geantwortet. Man konnte ihn noch erreichen.
»Wir wollen alle weg von hier«, sagte er mit gesenkter Stimme. »Aber dazu müssen wir einen klaren Kopf bewahren. Was Ranár Arcad angetan hat, war furchtbar. Ich wünschte, wir hätten es verhindern können, doch es ist nicht mehr zu ändern. Wir werden es schaffen, Ranár zu entkommen, wenn er einen Fehler begeht, aber das wird uns nur gelingen, wenn er nicht auf uns achtet. Also müssen wir ruhig bleiben, so schwer es uns fällt!«
Margon hoffte inständig, dass Enris sich von der Zuversicht, die er in seine Stimme gelegt hatte, überzeugen ließ und nicht weiter nachfragte, wie genau sie Ranár entkommen wollten, denn er hatte nicht die leiseste Ahnung, wie sie dies bewerkstelligen sollten. Er wollte nur, dass Enris sich beruhigte. Der junge Mann starrte ihn an, ohne etwas zu erwidern. Wenigstens schien seine Anspannung nicht zu wachsen.
Als hätte der Serephin in Menschengestalt über die ganze Entfernung des Weges hinweg gehört, dass über ihn gesprochen wurde, erhob er plötzlich die Stimme.
»Magier, komm her!«
Thaja drückte fest Margons Hand. Es war, als hätte sie ihm ohne Worte zu verstehen gegeben, das sie auf Enris achten würde. Er erwiderte den Druck und ließ sie los. Dann ging er auf das Podest zu. Er vermied es, an der Stelle, an der Arcads Leichnam lag, zu Boden zu blicken. Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, dass Themet und Mirka neben dem toten Elfen knieten. Dann erklomm er die Stufen des Podests.
»Ich will, dass du mir genau zuhörst, verstanden?«, sagte Ranár.
Margon nickte.
»Gut«, fuhr Ranár fort. »Als der Endar vorhin das Quelor geöffnet hat, ist mir aufgefallen, wie er die Magie des Portals weckte. Es sind nicht so sehr die genauen Worte als vielmehr bestimmte Tonfolgen. Dieses innere Portal ist ein wenig anders als das äußere, aber ich werde bald wissen, welche Tonfolge mein Zauber besitzen muss, um es zu erwecken. Dazu muss ich meinen Körper verlassen und das Quelor in der Geistwelt erforschen. Wenn ich das tue, erwarte ich von euch, dass ihr euch ruhig verhaltet und mich nicht stört. Denjenigen, der mich anzugreifen versucht, werfe ich über den Rand der Brücke und der schützenden Kugel, die uns umgibt, sodass er für alle Zeiten tot durch die ewige Nacht treibt. Habe ich mich verständlich ausgedrückt?«
»Ay«, erwiderte Margon und nickte knapp.
»Es würde euch sowieso nichts nützen, mich anzugreifen«, fügte Ranár hinzu. »Ich bin euer Weg zurück nach Runland. Selbst wenn ihr mich besiegen könntet, was ihr niemals schaffen würdet, so wärt ihr hier im Nichts gefangen. Ich habe euch nur mitgenommen, damit Sareth nicht von euch abgelenkt wird. Ich brauche ihn und seine Leute auf ihrem Posten. Wenn ich das Tor zur Welt der Serephin geöffnet habe und meine Brüder und Schwestern nach
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