Runlandsaga - Wolfzeit
Helmrandes in seinen Hals gebohrt.
Varjasni. Das war sein Name. Sie hatte ihn kaum gekannt, denn er war noch nicht lange ein Sturmkrieger. Aber er war ihr in die Schlacht gefolgt. Sie hatte nicht vorgehabt, auch nur einen ihrer Männer zu verlieren. Schließlich kämpften sie nur gegen Temari!
Aber sie hatte den Fehler begangen, den Widerstand dieser Wesen zu unterschätzen, und Varjasni hatte den Preis dafür bezahlt.
Hoffentlich wird er in den Häusern der Wiedergeburt seine Erinnerung zurückerlangen! Aber wahrscheinlich ist es nicht. Er war noch jung und nicht darin geübt, seinen Geist auf das Hinüberwechseln in einen neuen Körper vorzubereiten. Vermutlich ist das, was ihn zu Varjasni machte, für immer verloren, wenn er auch in Vovinadhar neu zu leben beginnen wird.
Alle Muskeln ihres gestohlenen Körpers spannen sich an, als sie zu dem Schiff hinüberblickt, von dem aus der tödliche Bolzen auf Varjasni abgefeuert wurde. Da ist er wieder! Der junge Temari, dessen Haare beinahe ebenso dunkel schimmern wie die jenes Ranár! Er war es, der Sareth und seinen nichtsnutzigen Kumpanen die Wache auf den Hals hetzte. Er war es, der mithalf, dem Endar den Rücken zu decken, damit sie aus dem Quelor entkommen konnten. Und nun kreuzen sich ihre Wege erneut. Da steht er an der Reling des Schiffes, das Varjasni den Tod brachte, und entkommt in die Nacht!
Etwas in Manari ahnt, dass sie dies alles träumt, dass sie Bilder von Ereignissen sieht, die sich nicht mehr ändern lassen, aber dennoch kann jene Ahnung ihren Schmerz nicht verhindern. Warum suchen sie diese Erinnerungen heim? Was wollen sie ihr mitteilen? Hat sie etwas Wichtiges übersehen?
Anstelle einer Antwort zerfließt das Bild von dem nächtlichen Hafen mit der brennenden Stadt im Rücken und setzt sich erneut zusammen. Manari befindet sich nicht in dem Körper, den sie dem Temaripriester fortgenommen hat, sie ist aber auch nicht zurück in ihrem Serephinkörper, der weit weg von Runland im Tempel des Kreises der Stürme liegt. Sie fliegt als feurigweiße Schlange in ihrem Geistkörper inmitten einer Sphäre voll von anderen gleißenden Schlangen, ihren besten Kriegern, und der Kampf gegen den Wächterdrachen der Luft ist in vollem Gange. Sie schleudert die Gewalt ihrer Blitze gegen den verhassten Beschützer dieser Welt. Ein wildes Glücksgefühl durchströmt sie mit jedem Schlag, den sie ihrem sich aufbäumenden Gegner versetzt. Jetzt stürzt er vornüber und ihr entgegen, gefällt von der Kraft ihrer Wut, sein Blick weit wie ein aufgerissenes Tor.
Doch mit einem Mal spiegelt sich eine rasende Bewegung im brechenden Auge des Drachen. Manari erkennt eine graue Sturmwolke, dicht geballt und bedrohlich, ein gewaltiger Wirbel, der sich durch hellen Sand pflügt und ihn weit in alle Richtungen verstreut. Sie weiß, es ist der Körper ihres Gegners, der in der zerstörten Säule an den Klippen seine Wohnstätte hatte. Der Kampf, den der Kreis der Stürme gegen den Luftdrachen führt, findet gleichzeitig in beiden Welten statt, der Welt der Elemente, die diese Welt wie einen schützenden Kokon umgibt, und in Runland selbst. Er tobt über dem Strand mit den hell schimmernden Klippen und der windgepeitschten Bucht, in der ein Schiff von der Wucht des sich wehrenden Wirbels mitgerissen wird – ein Schiff, das sie kennt!
Manaris Blick bohrt sich in den des Drachen, schießt durch ihn hindurch wie ein Kugelblitz durch ein offenes Fenster, und sie sieht, wer sich an Deck des Schiffes geklammert hat, geschützt und bewegungslos durch einen mächtigen Zauber.
Der junge Temari!
Schon wieder er! Sie spürt, dass ihr Gegner an ihn denkt. Aus irgendeinem Grund haben der Luftdrache und er eine gedankliche Verbindung, als hätte der Elementwächter mit letzter Kraft eine Leine ausgeworfen, und der Temari sie erkannt und ergriffen.
Manari möchte ihn und das Schiff, auf dem er sich befindet, in tausend Stücke zerschmettern. Aber es ist sinnlos. Alles, was sie sieht, sind nur Schatten von Dingen, die längst vergangen und nicht mehr umzukehren sind. Sie hatte ihn übersehen, weil sie nur auf den Drachen achtete. Nun ist die Gelegenheit vorbei.
Warum bei den Herren der Ordnung kreuzt er wieder und wieder ihren Weg? Wieso konnte es ihm gelingen, mehrmals ihre Pläne durcheinander zu bringen?
Nach Atem ringend fuhr Manari hoch.
Sie sah sich hektisch nach allen Seiten um. Für einen Moment war sie sich nicht sicher, ob sie noch träumte. Ihr Körper – das war nicht ihr
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