Rush of Love - Verführt: Roman (German Edition)
keinen Schritt hätte machen können, ohne mir dabei das Genick zu brechen. Sie sah mich mit großen Augen an und verzog dann missbilligend das Gesicht. Ich kannte mich mit Frauen wie ihr nicht aus, aber mir war sofort klar, dass sie meine Kaufhausklamotten völlig daneben fand. Entweder das, oder auf mir krabbelte ein Käfer herum.
»Hallo, Nannette«, begrüßte Grant sie genervt.
»Wer ist das?«, fragte die Rotblonde und sah ihn an.
»Eine Freundin«, erwiderte er. »Zieh nicht so ein Gesicht, Nan, das steht dir nicht.« Er nahm meine Hand und zog mich an ihr vorbei ins Innere des Hauses.
Wir gingen an ein paar Leuten vorbei durch eine große Eingangshalle und traten schließlich durch einen bogenförmigen Durchgang ins, wie ich vermutete, Wohnzimmer – auch wenn das Zimmer größer war als mein ganzes Haus, beziehungsweise mein ehemaliges Haus. Durch zwei geöffnete Glastüren hatte man einen atemberaubenden Blick auf das Meer.
»Hier entlang!« Grant steuerte auf eine … Bar … zu? Ernsthaft? In dem Haus hier gab es eine Bar?
Ich konnte im Vorbeigehen nur kurze Blicke auf die Leute um mich herum werfen. Alle stutzten einen Augenblick und musterten mich abschätzig. Offenbar herrschte hier ein strenger Dresscode. Plötzlich blieben wir stehen.
»Rush, darf ich dir Blaire vorstellen? Ich habe sie draußen vor der Einfahrt aufgelesen, und ich glaube, sie gehört zu dir. Sie wirkte ein wenig verloren«, sagte Grant. Ich wandte meinen Blick von den neugierigen Leuten ab, um zu sehen, wer denn dieser Rush nun war.
Oh.
Oh. Wow!
»Ist dem so?«, fragte Rush und fuhr sich mit der Hand durch sein kurzes dunkelbraunes Haar. Er hatte es sich auf einem weißen Sofa mit einem Bier in der Hand bequem gemacht und richtete sich jetzt auf. Er beugte sich leicht vor und sah mich direkt an. »Ganz niedlich, aber leider zu jung. Sie gehört nicht zu mir.«
»O doch, ich glaube schon. Ihr Daddy hat sich mit deiner Mommy für die nächsten Wochen nach Paris abgesetzt. Also bist du jetzt für sie zuständig, würde ich sagen. Aber ich biete ihr auch gern ein Zimmer bei mir an, wenn dir das lieber ist. Vorausgesetzt, sie verspricht, ihre Knarre hübsch im Wagen zu lassen.«
Rush zog die Brauen leicht zusammen und musterte mich eingehend. Seine Augen hatten eine seltsame Farbe. Ungewöhnlich … schön. Sie waren nicht wirklich dunkelbraun. Aber auch nicht haselnussbraun. Sie hatten einfach einen dunklen warmen Ton und schienen silbern durchwirkt. Solche Augen hatte ich noch nie gesehen. Ob er Kontaktlinsen trug?
»Deshalb gehört sie noch lange nicht zu mir«, erwiderte er schließlich und lehnte sich wieder auf dem Sofa zurück.
Grant räusperte sich. »Du machst Witze, oder?«
Rush gab keine Antwort. Stattdessen nahm er einen Schluck aus der Flasche und warf Grant einen warnenden Blick zu. Aha, wahrscheinlich würde er mich gleich rauswerfen. In meiner Handtasche hatte ich noch ganze zwanzig Dollar, und mein Tank war fast leer. Alle Wertsachen, die ich besaß, hatte ich schon verkauft. Bei meinem Anruf hatte ich meinem Vater erklärt, dass ich nur vorübergehend eine Unterkunft bräuchte, bis ich einen Job gefunden und genug Geld verdient hatte, um mir eine eigene Wohnung leisten zu können. Er hatte schnell eingewilligt und mir diese Adresse genannt – mit den Worten, er würde sich riesig freuen, wenn ich bei ihm wohnen würde.
Plötzlich hatte ich wieder Rushs Aufmerksamkeit. Er sah mich an und wartete offensichtlich darauf, dass ich etwas sagte. Nur was? Ein amüsiertes Lächeln huschte über seine Lippen, und er zwinkerte mir zu.
»Heute Abend habe ich das Haus voller Gäste, und mein Bett ist leider schon belegt.« Er blickte zu Grant. »Am besten sucht sie sich ein Hotel, bis ich ihren Daddy erreiche.«
Wie verächtlich er das Wort »Daddy« aussprach – er mochte meinen Vater offensichtlich nicht. Was ich ihm nicht einmal verübeln konnte. Im Grunde ging ihn das aber nichts an. Mein Vater hatte mich eingeladen, und auf der Fahrt hierher war der Großteil meines Geldes für Benzin und Essen draufgegangen. Wieso nur hatte ich diesem Mann vertraut?
Ich griff nach dem Koffer, den Grant immer noch in der Hand hielt. »Er hat recht. Ich habe hier nichts verloren. Das war keine gute Idee«, erklärte ich, ohne ihn anzusehen. Ich zog an dem Koffer, und Grant ließ ihn widerstrebend los. Die Erkenntnis, dass ich gleich so gut wie obdachlos sein würde, trieb mir Tränen in die Augen, und ich konnte keinem der
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