Rushdie Salman
Pferden. Die Soldaten kampierten für die Nacht auf dem
Grundstück, einige auf einem kleinen Feld bei Greve,
andere in den poderi von Fontalla, Il Poggio und Monte
Pagliano. Die vier Schweizer Riesen blieben in der Villa
La Strada, schlugen auf dem Hof ihre Zelte auf und
wachten über die Sicherheit der Bewohner. Sobald sich
die Männer ausgeruht und frischgemacht hatten, wollte
der Trupp weiterziehen, nicht ohne jedoch etwas von
großem Wert zurückzulassen.
Die Damen würden bleiben, ließ Niccolo seine Frau wissen, die ausländischen Damen, die Mogor-Prinzessin mit
ihrer Dienerin. Wie ein Todesurteil nahm Marietta diese
Neuigkeit hin. Schönheit würde sie umbringen, auf dem
Scheiterhaufen der endlosen Lüsternheit ihres Gatten
würde sie verbrennen. Die schönsten und begehrenswertesten Frauen, die man je in Percussina gesehen hatte -
die Teufelsköniginnen -, sie sollten unter ihrem Dach
wohnen, und durch ihre Anwesenheit würde sie, Marietta, einfach aufhören zu existieren. Nur die beiden Damen
würde es noch geben, und sie selbst wurde die unsichtbare Frau ihres Mannes. Das Essen stünde zu den Mahlzeiten auf dem Tisch, die Wäsche würde gewaschen und das
Haus sauber gehalten werden, doch ihr Mann würde gar
nicht bemerken, wer dafür verantwortlich war, würde er
doch in den Augen dieser ausländischen Hexen ertrinken,
deren überwältigende Begehrlichkeit sie, Marietta,
schlichtweg aus dem Leben löschte. Die Kinder müssten
umziehen, vielleicht ins Haus an den acht Kanälen unweit der Römischen Straße, und sie konnte ihr Leben
dann aufteilen zwischen dem Haus und La Strada, aber
das wäre unmöglich, das durfte nicht geschehen, sie
wollte es nicht zulassen.
Sie holte Luft, um ihn auszuschimpfen, gleich hier in
aller Öffentlichkeit, vor den Augen und Ohren des ganzen Dorfes, der Albino-Riesen und der Schreckensgestalt, die der von den Toten zurückgekehrte Argalia war,
doch Il Machia hob eine Hand, und einen Moment lang
schien er wieder einer jener Granden von Florenz zu sein,
zu denen er bis vor kurzem noch gezählt hatte. Da sie
aber sah, wie ernst es ihm war, blieb sie stumm.
«Na gut», sagte sie dann. «Wir können den Damen nicht
gerade einen Prinzessinnenpalast bieten, also sollten sie
lieber keine Beschwerden vorbringen, das ist alles.»
Nach elf Jahren Ehe mit diesem Schürzenjäger war es um
Signora Mariettas Laune nicht gerade zum Besten bestellt, außerdem behauptete er seit kurzem auch noch
schamlos, ihre gereizte Stimmung treibe ihn fort, zum
Beispiel ins Boudoir der Metze Barbera. Diese kreischende Salutati, die nichts anderes plante, als Marietta
Corsini zu überleben, um dann ihr Königreich an sich zu
reißen, ihren Platz im elterlichen Schlafzimmer in der
villa La Strada einzunehmen, in der La Corsini die Herrin
und Mutter von Niccolos Kindern war. Folglich war Marietta fest entschlossen, mindestens einhundertelf Jahre
alt zu werden, nur um noch zu erleben, wie ihre Rivalin
beerdigt wurde, um dann nackt unter fast vollem Mond
auf ihrem Armengrab zu tanzen. Die Vehemenz ihrer
Träume erschreckte Marietta, doch hatte sie längst aufgehört, ihre Wahrheit zu leugnen. Sie war fähig, sich
über den Tod einer anderen Frau zu freuen. Vielleicht
war sie sogar fähig, für dessen frühzeitiges Eintreten zu
sorgen. Das könnte Mord bedeuten, sinnierte sie, da sie
nur wenig über Hexerei wusste und ihre Zaubersprüche
meist versagten. Einmal hatte sie sich am ganzen Leib
mit heiliger Salbe eingerieben, ehe sie mit ihrem Mann
ins Bett ging, vielmehr, ehe sie ihn zu Sex mit ihr zwang,
und wäre sie eine bessere Hexe gewesen, hätte sie ihn so
auf immer an sich gebunden. Stattdessen machte er sich
am nächsten Nachmittag wie gewöhnlich zu Barbera auf
den Weg, und sie schickte seinem sich entfernenden
Rücken Flüche hinterher, nannte ihren Mann einen gottlosen Hurenbock, der nicht einmal die Heiligkeit des gesalbten Öls respektierte.
Er hatte sie natürlich nicht gehört, doch die Kinder hörten
ihre Worte, ihre Augen waren überall, ihre Ohren hörten
alles, sie waren das wispernde Gewissen des Hauses.
Marietta hätte sie für die heiligen Geister halten können,
nur musste sie die Kleinen füttern, ihre Kleider ausbessern und ihnen kalte Kompressen auf die Stirn legen,
wenn sie unter Fieber litten. Sie waren also durchaus real,
doch Mariettas Wut, ihre Eifersucht war stärker, und so
drängte sie die eigenen Kinder in den Hintergrund
Weitere Kostenlose Bücher