Rushdie Salman
die Deutschen, sie alle trampelten in diesem Zeitalter unaufhörlicher Kriege durch Italien. Die Franzosen marschierten
auf italienischem Boden gegen den Papst, die Venezianer, die Spanier und die Deutschen. Dann, bloß einen
Lidschlag später, waren es die Franzosen, der Papst, die
Venezianer und die Florentiner gegen die Mailänder.
Dann der Papst, Frankreich, Spanien und die Deutschen
gegen Venedig. Dann der Papst, Venedig, Spanien und
die Deutschen gegen Frankreich. Dann die Schweizer in
der Lombardei. Italien war zu einem Kriegskarussell geworden; der Krieg spielte zum Tanz mit ständig wechselnden Partnern auf, oder er spielte «Reise nach Jerusalem». Und während all dieser vielen Kriege hatte es keine rein italienische Armee je vermocht, sich gegen die
von jenseits der Grenzen anstürmenden Horden zu behaupten.
Dies war es letzten Endes auch, was ihn mit seinem
heimgekehrten Freund versöhnte. Wenn die Barbaren aus
Italien vertrieben werden sollten, brauchte es dazu vielleicht selbst einen Barbaren. Argalia, der lange unter
Barbaren gelebt hatte und zu einem so wilden Barbarenkrieger geworden war, dass er wie die Verkörperung des
Todes aussah, war vielleicht ebenjener Erlöser, den das
Land jetzt benötigte. Sein Hemd war mit Tulpen bestickt.
«Tod inmitten von Tulpen», flüsterten die großen Toten
Il Machia billigend ins Ohr. «Vielleicht wird dieser florentinische Osmane die Glücksblume Eurer Stadt.»
Zögerlich und erst nach langem Nachdenken hielt Il Machia ihm zum Willkommensgruß die Hand hin. «Wer
weiß, solltest du Italien erlösen können», sagte er, «erweist sich deine lange Reise vielleicht doch noch als ein
Akt der Vorsehung.»
Argalia wehrte sich gegen die religiösen Untertöne in Il
Machias Hypothese. «Na gut», gab sein Freund bereitwillig nach, «du hast recht: Erlösen ist wohl der falsche Titel
für dich. Nennen wir dich stattdessen einfach einen Hurensohn.»
Am Ende hatte Andrea Doria Argalia schließlich doch
noch davon überzeugen können, dass der Traum sinnlos
war, nach Hause zurückzukehren und die Füße hochzulegen. «Was glaubt Ihr denn, was Herzog Giuliano sagen
wird», fragte ihn der ältere condottiere. «Willkommen
daheim, Signor Bis-an-die-Zähne-bewaffneter-Piraten,
Verräter, Christenmörder und ]anitscharj Ihr mit Euren
einhunderteinen schlachterprobten Kämpfern und den
vier Albino-Riesen. Ich glaube Euch aufs Wort, wenn Ihr
mir sagt, dass Ihr in Frieden kommt. Denn all diese Herren an Eurer Seite werden von nun an vermutlich als
Gärtner arbeiten, als Diener, Zimmerleute und Anstreicher, nicht wahr? Nur ein Säugling könnte solch ein
Märchen glauben. Fünf Minuten nachdem Ihr derart
kriegsbereit auftaucht, schickt er Euch seine gesamte
Miliz auf den Hals. Also seid Ihr ein toter Mann, wenn
Ihr nach Florenz geht, es sei denn … » Es sei denn was,
musste Argalia ihn fragen. «Es sei denn, ich sage ihm, er
soll Euch als seinen militärischen Oberbefehlshaber einstellen, denn den braucht er dringend. Eine große Wahl
bleibt Euch allerdings nicht», sagte der ältere Freund.
«Für Männer wie uns kommt der Ruhestand nämlich
nicht in Frage.»
«Ich habe kein Vertrauen zum Herzog», sagte Argalia zu
Il Machia. «Und was das angeht, traue ich auch Doria
nicht recht über den Weg. Er war schon immer ein
Schurke, und ich fürchte, sein Charakter ist im Laufe der
Jahre nicht gerade besser geworden. Vielleicht hat er
Giuliano die Nachricht zukommen lassen, er solle mich
umbringen, sobald ich auch nur einen Fuß in die Stadt
setze. Kaltblütig genug ist er allemal. Aber vielleicht war
er auch in großmütiger Laune und hat mich um der alten
Zeiten willen tatsächlich empfohlen. Jedenfalls will ich
die Frauen nicht mit in die Stadt nehmen, bis ich weiß,
wie die Dinge stehen.»
«Ich kann dir genau sagen, wie sie stehen», erwiderte
Niccolo verbittert. «Der absolute Herrscher der Stadt ist
ein Medici. Der Papst ist ein Medici. Und die Leute hier
behaupten, dass Gott vermutlich auch ein Medici ist, der
Teufel ist es jedenfalls ganz bestimmt. Allein wegen der
Medici sitze ich hier fest, züchte mein Vieh für einen
Hungerlohn, bestelle diesen Flecken Land und verkaufe
Brennholz, um über die Runden zu kommen; und unser
Freund Ago wurde ebenfalls kaltgestellt. Das also ist die
Belohnung dafür, dass wir in der Stadt geblieben sind
und ihr all die Jahre treu gedient haben. Jetzt tauchst du
nach einem Leben voller Blasphemie
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