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Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
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der Palast bis zum Tag seiner Rückkehr ein
sicherer Ort blieb, hatte den kleinen, eigennützigen Hinterhältigkeiten der Bediensteten widerstanden, die Absichten der spionierenden Eidechsen an den Wänden
durchkreuzt, das Getrappel verschwörerischer Mäuse
verstummen lassen. All das, während sie sich schwinden
fühlte, während der bloße Kampf ums Überleben fast ihre
gesamte Willenskraft kostete. Die anderen Königinnen …
nein, die anderen Königinnen würde sie nicht erwähnen.
Die anderen Königinnen existierten nicht. Es gab nur sie
allein. Sie war nämlich auch eine Zauberin. Sie war die
Zauberin ihrer selbst. Nur einen Menschen musste sie
bezaubern, und dieser Mensch war hier. Er ging nicht zu
den anderen Königinnen. Er kam zu der, die ihn beglückte. Sie war randvoll mit ihm, mit seinem Verlangen nach
ihr, mit dem, was nun geschehen würde. Sie war die
Schülerin seiner Begierde. Sie wusste alles.
Die Tür ging auf. Sie existierte. Sie war unsterblich, denn
sie war durch die Liebe lebendig geworden.
Er trug einen goldenen, mit einer Kokarde besetzten Turban und einen Mantel aus goldenem Brokat. Der Staub
des eroberten Landes haftete an ihm wie die Ehrennadel
an einem Soldaten. Er hatte ein verlegenes Grinsen aufgesetzt. «Ich wollte früher nach Hause kommen», sagte
er, «aber ich wurde aufgehalten.» Irgendetwas an der Art,
wie er redete, wirkte seltsam unbeholfen und beinahe
zaghaft. Was war nur mit ihm? Sie beschloss, seine untypische Unsicherheit zu ignorieren und wie geplant vorzugehen.
«Ach nein, Ihr ?», sagte sie, stand hoch aufgerichtet in ihrem gewöhnlichen Tageskleid da und zog
sich den Seidenschal über die untere Gesichtshälfte. «Ein
Mann weiß nicht, was er will. Ein Mann will nicht, was
er zu wollen behauptet. Ein Mann will nur, wonach es
ihn verlangt.»
Ihn verblüffte, dass sie sich weigerte, seine Herablassung
zur ersten Person Singular wahrzunehmen, die sie doch
vor Glück in Ohnmacht sinken lassen sollte - sie, seine
neueste Entdeckung und seine Liebeserklärung. Es verblüffte ihn, doch es verstimmte ihn auch ein wenig.
«Wie viele Männer kennst du, dass du dich so kenntnisreich gibst?», fragte er stirnrunzelnd beim Näherkommen. «Hast du dir Männer erträumt, während ich fort
war? Oder hast du Män-ner zu deinem Vergnügen gefunden, Männer, die keine Träume waren? Gibt es Männer,
die ich töten muss?» Diesmal würde sie doch gewiss das
revolutionäre, das erotisch neue Pronomen bemerken.
Diesmal musste sie einfach verstehen, was er ihr sagen
wollte.
Sie tat es nicht. Sie glaubte zu wissen, was ihn erregte,
und dachte nur an die Worte, die sie sagen musste, damit
er ihr gehörte.
«Frauen denken im Allgemeinen nicht so oft an Männer,
wie die Männer im Allgemeinen glauben. Frauen denken
auch nicht so oft an den eigenen Mann, wie dieser Mann
es gerne glaubt. Frauen brauchen Männer einfach nicht
so dringend, wie die Männer sie brauchen. Deshalb ist es
so wichtig, eine gute Frau an der Kandare zu halten. Hält
man sie nicht an der Kandare, läuft sie nämlich bestimmt
bald davon.»
Sie hatte sich nicht für ihn herausgeputzt. «Sucht Ihr ein
Püppchen», sagte sie, «geht ins Haus der Puppen, wo sie
Euch erwarten, wo sie sich hübsch machen, einander laut
kreischend an den Haaren ziehen.» Das war ein Fehler.
Sie hatte die anderen Königinnen erwähnt. Er runzelte
die Stirn, seine Augen umwölkten sich. Ein falscher Zug.
Der Bann war fast gebrochen. Sie legte alle Macht in
ihren Blick und sah ihm in die Augen, bis er zu ihr zurückfand. Der Zauber hielt. Sie hob die Stimme und fuhr
fort.
Sie schmeichelte ihm nicht. «Ihr seht schon wie ein alter
Mann aus», sagte sie. «Eure Söhne werden Euch für ihren Großvater halten.» Auch beglückwünschte sie ihn
nicht zu seinen Siegen. «Hätte die Historie einen anderen
Weg gewählt», sagte sie, «würden die alten Götter noch
herrschen, jene Götter, die Ihr besiegt habt, die vielarmigen, vielköpfigen Götter mit ihren Geschichten von wagemutigen Taten statt von Strafen und Gesetzen; die Götter des Seins stünden noch neben den Göttinnen des
Tuns, den tanzenden Göttern, lachenden Göttern, den
Göttern des Donners und der Flöten, so viele, viele Götter, und vielleicht wäre das besser gewesen.» Sie wusste,
wie schön sie war, und jetzt ließ sie den dünnen Seidenschleier sinken, entblößte ihre bislang verschleierte
Schönheit, und er war verloren. «Wenn ein

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