Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
Vom Netzwerk:

da auch sie hoffte, es gelänge ihm, die somnambule Dame aufzuwecken, damit sie sich endlich wie eine normale
Kurtisane und nicht länger wie eine redende Statue benahm. Il Machia hatte die Omen korrekt gedeutet. Kaum
war er mit ihr allein im Boudoir, nahm er sie bei der
Hand und hieß sie sanft, sich auf das Himmelbett zu legen, das passenderweise mit französischen, blassblauen
Seidendraperien verhängt war, bestickt mit den goldenen
Lilien der Bourbonen. Sie war eine hochgewachsene
Frau, es würde einfacher sein, wenn sie lag. Dann legte er
sich neben sie, streichelte ihr das Haar, wisperte ihr Fragen ins Ohr und knöpfte unterdessen das Serailmieder
auf. Ihre Brüste waren klein. Das war in Ordnung. Sie
verschränkte die Finger über der Taille und ließ seine
Hände widerstandslos gewähren, während sie Erinnerungen von sich gab, die tief in ihr vergraben gewesen waren. Das schien sie zu erleichtern, und je mehr Ballast sie
ablud, desto leichter wurde ihr auch ums Herz. «Erzähl
mir alles», flüsterte ihr Il Machia ins Ohr und küsste dabei die frisch aufgedeckte Brust, «dann wirst du frei
sein.»
Nachdem man den Knabenzins eingetrieben hatte (erzählte der Gedächtnispalast,, wurden die Jungen nach
Stambul gebracht und unter angesehenen türkischen Familien aufgeteilt, damit sie ihnen dienten und die türkische Sprache sowie die Feinheiten des muslimischen
Glaubens lernten. Danach folgte die militärische Ausbildung. Später dann traten die Jungen entweder als Pagen
unter dem Titel eines Ich-Oghldn dem herrschaftlichen
Serail bei, oder sie kamen als Ajem-Oghldn, als einfache
Rekruten, zum Korps der Janitscharen. Im Alter von elf
Jahren wurde der Held, der mächtige Krieger, Träger der
Verwunschenen Lanze und attraktivster Mann der Welt,
ein Janitschar, Gott sei gelobt, und darüber hinaus wurde
er zum größten Kämpfer der Janitscharen in der Geschichte des Korps. Ach, die gefürchteten Janitscharen
des Osmanli-Sultans, möge ihr Ruhm sich über die gesamte Welt verbreiten! Sie waren keine Türken, aber
dennoch die Säulen des türkischen Imperiums. Juden
wurden nicht zugelassen, deren Glaube war zu stark, um
geändert werden zu können, auch keine Zigeuner, die
waren Abschaum, selbst bei den Moldawiern und den
Walachen Rumäniens führte man keine Knabenlese
durch.
Zur Dienstzeit des Helden kämpfte man sogar gegen die
Walachen und deren König Vlad Dracula, den Pfähler.
    Während ihm der Gedächtnispalast von den Janitscharen
er-zählte, richtete sich Il Machias ganzes Augenmerk auf
ihre Lippen. Sie erklärte, wie man die Kadetten bei der
Ankunft in Stambul nackt inspizierte, doch erfreute ihn
nur, wie schön ihr Mund aussah, wenn sie das französische Wort nus aussprach. Sie redete davon, wie man die
Knaben zu Metzgern und Gärtnern ausbildete, er aber
fuhr nur mit dem Zeigefinger ihre Lippen nach. Sie sagte,
man tilgte ihre Vor- und Familiennamen; sie wurden zu
Abdullahs, Abdulmomins oder bekamen andere Namen,
die mit Abd begannen, denn das bedeutete Sklave und
verriet ihren Status in der Welt. Doch statt bekümmert
zuzuhören, wie diese jungen Leben verformt wurden,
dachte er nur daran, dass ihm missfiel, wie sie die Lippen
spitzte, wenn sie die orientalischen Silben aussprach. Er
küsste ihre Mundwinkel, als sie ihm vom Obersten Weißen Eunuchen und vom Obersten Schwarzen Eunuchen
erzählte, die für die Ausbildung der Knaben verantwortlich waren, und davon, dass der Held, sein Freund, als
oberster Falkner angefangen habe, ein beispiellos ho her
Rang für einen Kadetten. Er wusste, sein verlorener
Freund, der Junge ohne Kindheit, würde im Laufe ihrer
Geschichte heranwachsen, er würde mit jedem Satz älter
werden, den sie erzählte, und er wusste auch, dass Argalia hatte, was immer Kinder haben, denen die Kindheit
fehlt, dass er zu einem Mann wurde oder was immer
Kinder ohne Kindheit werden, wenn sie aufwachsen,
vielleicht zu einem Mann ohne Mannheit. Ja, Argalia
erwarb kriegerische Fähigkeiten, die Furcht und Bewunderung in anderen Männern weckten, und er sammelte
einen Kreis junger Krieger um sich, Knabenzinskadetten
aus fernen Ländern Europas, aber auch die vier Schweizer Albino-Riesen Otho, Botho, Clotho und d’Artagnan,
Söldner, die in Schlachten gefangen genommen und auf
dem Sklavenmarkt von Tanger verkauft worden waren,
dazu noch einen wilden Serben namens Konstantin, den
man bei der Belagerung von Novo Brdo aufgegriffen
hatte. Doch

Weitere Kostenlose Bücher