Russen kommen
Wohnung. Fall eindeutig.«
Sieht wohl so aus.
»Nie hätte ich gedacht, dass er eine Freundin hat«, bekräftigt Vesna.
Und was, wenn Oskar sich nicht meldet, weil auch er eine Freundin hat? Weil er schon länger eine hat und den Streit nur vom Zaun gebrochen hat, um mich loszuwerden? Ich muss zugeben, das sähe ihm nicht ähnlich.
»Du hast ein halbes Jahr nicht mehr bei ihm gewohnt«, erinnere ich Vesna.
»Ich sage nicht, dass er mir treu sein muss, aber dass er einfach verschwindet zu so einer …«
»Kann sein, dass er auf seinem Heimweg manchmal bei dem Espresso stehen geblieben ist. Sie allein, er allein …«, überlege ich.
»Ist ihm eigentlich klar, er hat Kinder? Er hat schon eine Frau?«, ruft Vesna. »Ist nicht so, dass ich ihn noch liebe, aber die Umstände …«
»Die Zwillinge sind neunzehn und schon sehr erwachsen. Du bist formal nicht einmal mit ihm verheiratet. Er hat die Zwillinge aufgezogen, aber sie sind nicht seine leiblichen Kinder.« Ganz verstehe ich Vesna nicht, sie hat aus ihrer Beziehung zu Valentin Freytag nie ein Hehl gemacht. Auch nicht ihren Zwillingen gegenüber.
»Du meinst, er will mit ihr endlich eigene Kinder machen?«
Jetzt muss ich grinsen, ich klopfe der aufgebrachten Vesna beruhigend auf den Rücken. »Ich dachte, sie ist so alt wie du. In deinem, in unserem Alter bekommt man für gewöhnlich keine Kinder mehr.« Vesna wird nächstes Jahr fünfzig.
»Ist sie vielleicht doch etwas jünger«, gibt Vesna zu. »Aber sieht nicht so aus.«
Ihr Halilovi c jedenfalls war der Grund, warum sie ihre Reise nach Leipzig um einen Tag verschoben hat. Außerdem solle ich in der Nacht ohnehin nicht ohne ihren Schutz sein. Ich habe Gesellschaft. Meine liebste Freundin. Wir machen extrascharfe Spaghetti mit Knoblauch und viel Olivenöl. Wer sagt, dass man Männer braucht, um gut zu leben? Basta. Wir haben uns eine zweite Flasche Wein verdient.
Ich lauere an der U-Bahn-Station auf Professor Welser. Dieses Mal freilich will ich nicht bloß seinen Tagesablauf überprüfen. Ich werde ihn mit dem konfrontieren, was mir Sonja erzählt hat.
Nach seinen Gewohnheiten kann man wirklich die Uhr stellen. Er taucht exakt zur gleichen Zeit wie letztes Mal aus der U-Bahn auf. Nach Moskau kommen mir unsere Stationen klein und schmucklos vor, allerdings auch angenehm übersichtlich und vertraut. Ich gehe auf ihn zu. Er sieht mich unfreundlich an. »Frau Valensky, so ein Zufall. Ich bin leider ziemlich in Eile.«
»Sie haben der Polizei noch nichts von Ihren Kontakten zu ›Direktinvest‹ erzählt«, falle ich mit der Tür ins Haus.
»Ich bin nicht dazu gekommen. Außerdem ist das wohl meine Sache. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen …« Er drängt sich an mir vorbei. Ich halte ihn am Arm fest. Er sieht mich empört an, wird wütend. »Sie lassen mich sofort in Ruhe, sonst …«
»… schreien Sie, dass Sie von mir belästigt werden? Ich muss mit Ihnen reden, Professor.«
»Ich werde mich bei Ihrem Mann beschweren, bei der Rechtsanwaltskammer …«
»Sie haben Geld investiert bei ›Direktinvest‹. Viel Geld. Ich habe Beweise. Es gibt jemanden, der geredet hat. Ich war in Moskau.«
Panik in seinen Augen, der graue Bart scheint zu vibrieren.
»Sie haben nicht erst am Arlberg eingezahlt, sondern schon ein halbes Jahr vorher. Sie und die anderen Investoren wollten sehen, in welche Projekte ihr Geld geflossen war. Aber Dolochow hat Sie bloß vertröstet. Sic haben ihn unter Druck gesetzt. Wenn er nicht sofort nachvollziehbare Geschäfte vorweisen könne, dann wollten Sie Ihr Geld wiederhaben. Deshalb haben Sie sich am Arlberg getroffen. Doch Dolochow hatte eine andere Idee: Sie sollten gemeinsam neue Investoren finden, man brauche noch mehr Geld, um wirklich groß einsteigen zu können. Wahrscheinlich hat er etwas von einer einmaligen Chance gelabert, die sich ›Direktinvest‹ nicht entgehen lassen dürfe.«
Jetzt steht Professor Welser stocksteif da, nur seine hellblauen Augen irren hinter den Brillengläsern umher. Sucht er jemanden, der mich in den Arm sticht? Sucht er eine Fluchtmöglichkeit?
»Warum reden Sie mit mir, wenn Sie ohnehin glauben alles zu wissen? Schreiben Sie es doch. Ich verspreche Ihnen, ich werde Ihre Zeitung verklagen. Und ich kann Ihnen versichern, ich habe ausgezeichnete Kontakte zu hervorragenden Anwälten.«
Ich versuche ein beruhigendes Lächeln. »Sie sind doch einer der Geschädigten. Warum reden Sie nicht? Hat man Sie unter Druck gesetzt? Sie haben schon
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