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Russen kommen

Russen kommen

Titel: Russen kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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Geldböse habe ich immer noch einige Visitenkarten von Oskars Kanzlei. Auch er hat es sich nicht anders verdient. »Dr. Valensky«, wie sich das anhört. Dann erst fällt mir ein, dass ich ja tatsächlich einen Doktortitel habe. Auch wenn ich ihn vor fast zwei Jahrzehnten für mich abgeschafft habe. Ich werde sagen, dass mich Universitätsprofessor Welser schickt, bei genauem Nachrechnen habe er herausgefunden, dass sie ihm noch achtzigtausend Euro schulde. Dann werden wir ja sehen, ob wir nicht auf die Finanzen von Welser zu reden kommen. Jedenfalls ist es einen Versuch wert.
    Ich mag keine Krankenhäuser. Ich weiß, dass sie notwendig sind. Ich hoffe, dass ich nie in einem landen werde. Der Geruch, diese Mischung aus Angstschweiß und Desinfektionsmittel, macht mich einfach fertig. Ich melde mich bei Chefärztin Dr. Welser an. Eine Rezeptionistin telefoniert und dirigiert mich dann hinauf in den zweiten Stock. Das geht erstaunlich unbürokratisch. Geriatrie. Hier ist es. Den Gang entlang, da hinten sollen die Schwesternzimmer sein und ein Aufenthaltsraum, in dem ich auf sie warten kann.
    »Die Frau Chefärztin kommt gleich«, sagt eine Schwester. Ich setze mich in den zum Gang hin offenen Aufenthaltsraum, am Nebentisch zwei Patienten im Rollstuhl, der eine ist festgeschnallt. Er wackelt bedenklich mit dem Kopf, während sich der andere darauf konzentriert, den Strohhalm, der aus seinem Becher ragt, in den Mund zu bekommen. So will ich nicht enden, schwöre ich mir. Sich lieber von Russen erschießen lassen, was? Nein, das auch nicht. Vielleicht sind die beiden ganz zufrieden, nur wir haben ein Problem damit, sie anzusehen. Es gemahnt an die eigene Zukunft.
    Eine Tür geht auf. Eine betagte Frau im Nachthemd kommt heraus, sie hat dünnes graues Haar, das ihr bis zur Taille reicht. Sie sieht aus wie die Großmutter aller Ahnfrauen. Sie geht mit kleinen Trippelschritten den Gang entlang. Wohin will sie? Darf sie das? Wen soll ich fragen? Die beiden Alten am Tisch? Die Ahnfrau-Großmutter ist noch keine fünfzig Meter weit gekommen, als eine Frau im weißen Mantel vorsichtig in ihre Richtung geht. Braune, kurz geschnittene Haare, sie strahlt eine angenehme Ruhe aus. Sie berührt die Ahnfrau ganz leicht an der Schulter. »Maria, Sie wollten doch eigentlich mit Ihrer Puppe spielen. Wohin gehen Sie?« Auch die Stimme klingt ruhig.
    »Zur Straßenbahn«, kommt es erstaunlich deutlich zurück.
    »Da gehen wir später gemeinsam hin.« Sie geht jetzt neben ihr, nimmt sie an der Hand. »Sie müssen Ihrer Puppe etwas Gutes kochen.«
    »Nein«, sagt Maria. »Ich muss sie untersuchen, sie ist krank.« Und ganz ruhig lässt sie sich von der Ärztin wieder ins Zimmer führen.
    Nur zwei Minuten später kommt die Ärztin aus dem Zimmer, geht auf mich zu.
    »Sie warten auf mich?«, fragt sie.
    Ich bringe es nicht fertig, sie anzulügen.
    »Ja«, erwidere ich. »Tut mir leid, dass ich Sie störe. Mira Valensky vom ›Magazin‹. Ich recherchiere im Russen-Fall, ich weiß nicht, ob Sie davon etwas mitbekommen haben. Der Mord an Dolochows Zwillingsbruder.«
    »Nur ganz am Rande. Aber was soll ich damit zu tun haben?«
    »Sie nicht. Ihr Mann, ich weiß, dass Sie getrennt leben, er hat damit zu tun. Er hat bei Dolochows Firma Geld investiert und gehört zu den Geschädigten.«
    »Oje, wo er doch so am Geld hängt!« Sie sagt es amüsiert und ruft sich zur Ordnung. »Verzeihen Sie, vergessen Sie das. – Was wollen Sie dann von mir?«
    »Ich hab gesehen, wie Sie mit der alten Frau umgegangen sind. Ich wollte Ihnen eigentlich eine Geschichte auftischen, damit Sie mir erzählen, wie es um Welsers Finanzen steht …«
    »Sie wollten lügen, um mir etwas zu entlocken …« Sie sieht mich gar nicht empört, sondern neugierig an.
    »Lügen ja«, gebe ich zu, »entlocken ist wohl zu viel gesagt. Weder Ihr Mann noch andere Investoren sind bereit zu reden. Nicht nur was mich angeht. Sie halten auch der Polizei gegenüber dicht. Irgendjemand muss ihnen Angst eingejagt haben.«
    »Es ist gar nicht so einfach, meinem Mann Angst einzujagen«, erwidert die Ärztin. »Auch wenn es manche meinen. Rechtshistoriker gelten leicht als lebensfremd.«
    »Ist er das nicht auch in gewisser Weise? Ich kenne ihn über meinen Mann, sie sind Kollegen.« Zwar nicht an der Uni, aber so genau muss ich es auch wieder nicht nehmen.
    »Ja, in gewisser Weise ist er das sicher. Was wollten Sie von mir wissen?«
    »Hat er bei Ihnen irgendwelche Zahlungsrückstände? Wissen

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