Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Russen kommen

Russen kommen

Titel: Russen kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
Vom Netzwerk:
geahnt, dass Sie dem falschen Dolochow aufgesessen sind, nicht wahr? Je rascher man die Leute hinter ›Direktinvest‹ findet, desto eher haben Sie die Chance, etwas von Ihrem Geld wiederzusehen. Wie viel haben Sie investiert?«
    »Sie täuschen sich«, sagt der Professor nach ein paar Sekunden Schweigen. »Ich habe so gut wie nichts investiert. Es ging für mich eher um das wissenschaftliche Interesse. Wie so etwas läuft.« Er geht mit langen Schritten davon, diesmal halte ich ihn nicht auf.
    Wie findet man heraus, wie viel Welser wirklich investiert hat? Er gilt als sparsam bis geizig. Als schrullig. Er könnte das Geld daheim gehortet haben. Er lebt getrennt von seiner Frau. Wer sonst könnte etwas wissen? Eine Putzfrau vielleicht. Aber Vesna ist unterwegs nach Leipzig. Und in Putzfrauenconnections ist sie mir eindeutig überlegen.
    Welsers Exfrau ist Chefärztin. Es gibt viele Krankenhäuser. Und wer weiß, ob sie den Namen ihres Mannes angenommen hat. Sie sind nicht geschieden, sie leben bloß getrennt. Welser ist jetzt auf der Uni. Vesna hat die Adresse seines Reihenhauses. Ich kann ja so tun, als wäre ich eine alte Freundin seiner Frau, ich will sie besuchen und weiß noch gar nicht, dass sie nicht mehr hier lebt. Eine Freundin, die das binnen zwei Jahren nicht erfährt? Ich kann im Ausland gewesen sein.
    Die Reihenhaussiedlung ist auf jene Weise gepflegt und adrett, die mir Kopfweh bereitet. Ein Vorgarten wie der andere. Gras gemäht, Blumen ohne ein welkes Blatt, Autos sauber. Helle Farben. Selbst die Fassaden wirken, als würde man sie einmal die Woche waschen. Ich läute bei »Univ.-Prof. Welser«. Keine Antwort. Gut so. Ich läute an der Nebentür. Niemand kommt. Also die andere Nebentür. Welser hat es nicht einmal geschafft, eines der Eckhäuser zu bekommen. Ich höre Kindergeschrei, dann öffnet eine jüngere Frau, sie wirkt außer Atem. Hinter ihr zwei Buben im Schlafanzug.
    »Sie sind nicht in der Schule, weil sie krank sind«, sagt sie anstelle einer Begrüßung.
    »Deswegen komme ich nicht«, lächle ich. Der eine Bub streckt mir hinter dem Rücken seiner Mutter die Zunge heraus. »Die beiden sind wohl eine ziemliche Herausforderung, was? Ich kann mich erinnern, wie meine in diesem Alter waren.«
    Der andere zeigt mit dem rechten Mittelfinger nach oben. Wirklich süße Bengels. Die Frau nickt.
    »Ich wollte eigentlich zu Ihrer Nachbarin. Ich bin eine Freundin von ihr, habe sie lange nicht gesehen, ich habe im Ausland gelebt. Aber anscheinend ist sie nicht daheim. Leider arbeitet sie nicht mehr im selben Spital wie vor zwei Jahren.«
    Die junge Frau fährt sich durch die struppigen blonden Haare. »Die werden Sie hier nicht mehr finden, sie ist ausgezogen.« Sie wirkt, als fände sie, dass so etwas gar keine schlechte Idee wäre.
    »Die Welsers sind weggezogen?«, heuchle ich. »Aber ihr Namensschild ist noch an der Tür.«
    »Nur sie. Er ist geblieben. Sie ist vor fast zwei Jahren gegangen, lassen Sie mich nachdenken…Ja, damals war David sieben und Daniel neun.«
    »So etwas!«, rufe ich und füge vertraulich hinzu: »Obwohl ich schon damals den Eindruck hatte, dass da etwas nicht so gut läuft …«
    »Sie haben nie zusammengepasst«, stellt die junge Frau mit Bestimmtheit fest.
    »Warum?«
    »Sie war immer sehr freundlich, ich konnte sie gut leiden. Er ist distanziert. Sicher sehr klug, aber abweisend. Und er konnte schrecklich zornig werden. Das war, glaube ich, auch der Grund, warum sie gegangen ist.«
    Ich nicke, als ob ich davon wüsste. Der schrullige Professor zornig? Warum eigentlich nicht. »Haben Sie eine Adresse von ihr? Oder wissen Sie, wo sie jetzt arbeitet?«
    »Sie arbeitet im SMZ Ost, sie leitet die Geriatrie. Aber dort ist sie schon seit Jahren.«
    »So etwas!«, rufe ich. »Ich hab dort angerufen, und jemand hat mir gesagt, dass es hier keine Frau Dr. Welser gibt. – Wann hatten Sie das letzte Mal mit ihr zu tun?«
    »Erst vor zwei Wochen. Mein Großvater ist einer ihrer Dauerpatienten.«
    Ich bedanke mich herzlich und zeige, als sie wegsieht, den beiden Knaben die Faust.
    Ich sehe immer wieder in den Rückspiegel, aber keinerlei Anzeichen, dass mir jemand nachfährt. Es sieht so aus, als hätte ich alle Verfolger in Moskau gelassen. Sonja. Sie hat sich noch immer nicht bei Karla gemeldet. Was Frau Welser angeht, so habe ich eine Idee. Mies, aber dieser seltsame Professor hat es nicht anders verdient. Er gilt als geizig. Ich werde als Rechtsanwältin auftreten. In meiner

Weitere Kostenlose Bücher