Russen kommen
ähnlich schlicht. Ich erzähle ihr, dass ich an einer Story für die größte österreichische Wochenzeitung »Magazin« arbeite, sie fällt mir ins Wort: »Kenne ich. Ich mache mit meinem Mann seit über zehn Jahren Urlaub in Österreich. In den steirischen Bergen. Zu welchem Thema wollen Sie Herrn Flemming interviewen?«
»Er macht Urlaub am Arlberg, nicht wahr?«
Ihr Gesicht verschließt sich, sie scheint über ihren Chef nicht tratschen zu wollen. Schade.
»Das ist ja keine Schande«, beruhige ich sie. »Es geht um die russische Firma ›Direktinvest‹, zu der er Kontakt hatte. Meine Kollegin und ich hätten da ein paar Fragen.«
»Ich weiß nicht …« Sie steht auf, öffnet, ohne anzuklopfen, die hohe dunkelbraune Tür auf der anderen Seite des Zimmers, geht hinein, schließt sie mit Nachdruck.
»Man sollte lauschen«, sagt Vesna.
»Und was, wenn sie gleich wiederkommt?«, erwidere ich.
Und schon ist sie zurück, die tüchtige Direktionsassistentin. Früher hätte man zu ihr Sekretärin gesagt. Sie lächelt bedauernd. »Es tut Herrn Flemming sehr leid, er kann sich an keine Firma namens ›Direktinvest‹ erinnern, er meint, da müsse es wohl eine Verwechslung geben. Und er hat leider überhaupt keine Zeit.«
»Schade«, sage ich. »Wir wissen, dass er mit ›Direktinvest‹ zu tun hatte, ich drucke ungern etwas, ohne mit den Betroffenen zuvor darüber geredet zu haben.«
Die Sekretärin sieht mich groß an, steht auf, verschwindet erneut hinter der dunklen Türe. Und schon geht die Tür wieder auf.
»Aber nur fünf Minuten«, sagt Berta Braun.
Jürgen Flemming ist von seinem imposanten Lederschreibtischsessel aufgestanden und kommt uns entgegen. Sein Schreibtisch ist überdimensional und aus dunklem Holz. Auf der anderen Seite des Eckzimmers eine zweite Tür, kleiner als die zwischen Direktionsassistenz und Chefbüro. Vielleicht ein Ruheraum. Aussicht auf eine riesige flache, steppenartige Wiese und andere kastenförmige Bürogebäude. Einige sehen so aus, als wären sie sehr neu. Weiter entfernt sehe ich Kräne, es wird auf diesem Bürogelände am Stadtrand von Leipzig also weiter gebaut.
Flemming ist groß, schlank, Ende vierzig. Seine Haare wirken gefärbt, zu schwarz gefärbt, aber vielleicht sind sie ja auch von Natur aus so. Der Unternehmer folgt meinem Blick und sagt: »Als ich hier gebaut habe, standen auf dem gesamten Gelände nur einige Baracken und die Reste einer alten Möbelfabrik. Und jetzt …«
Er will also nicht auf Konfrontationskurs gehen. Gut so.
Nach den ersten Höflichkeitsfloskeln allerdings meint er: »Ich muss gleich weg. Ich weiß nicht, ob Sie über meinen Betrieb informiert sind, ich besitze dreiundzwanzig Computerfachmärkte, und ich versuche in jedem dieser Märke einmal pro Woche zu sein.«
»Alle im Raum Leipzig?«, frage ich.
»Wo denken Sie hin? In Berlin. In Dresden. In Halle. Überall im Land. Seit Kurzem auch einen in Frankfurt. In München. Wir bieten Rundumservice, so etwas ist selten geworden.«
Geld hat er wohl genug, um bei »Direktinvest« einzusteigen, denke ich.
»Ich muss Sie außerdem enttäuschen. Wie Ihnen meine Assistentin sicher gesagt hat, kenne ich keine Firma ›Direktinvest‹.«
Ich lächle. Wir haben vereinbart, dass ich rede, aber Vesna schaut mich bereits so ungeduldig an, dass ich Angst habe, sie fällt mir ins Wort.
»Aber Sie kennen Universitätsprofessor Welser, nicht wahr?«, sage ich. »Er fährt wie Sie jedes Jahr am Arlberg Ski, allein. Dabei haben Sie einander kennengelernt.«
»Das stimmt. Wir kennen einander aber nicht gut.«
»Was heißt schon ›gut‹?«, lächle ich. »Sie haben sich gemeinsam mit ihm und anderen an ›Direktinvest‹ beteiligt, einem russischen Unternehmen zur Immobilienentwicklung.«
Er fährt auf. »Ich …«
»Wir haben Beweise«, sage ich sanft. »Sie waren mit den verantwortlichen Russen sogar Ski fahren. Samt Privatskilehrer. Sie waren eingeladen. Sie kennen Sachow, oder? Und die Russin.«
»Sonja Rostowjewa«, fällt mir Vesna ins Wort.
»Die war doch nur Dolmetscherin«, sagt Flemming.
Genau das hat Welser auch gesagt, wortgleich, wenn ich mich recht erinnere.
Flemming geht in Richtung hoher Tür. »Wenn Sie mich so fragen, jetzt erinnere ich mich, dieser Sachow hat von einer Investitionsfirma geredet, aber ich habe von vorne herein abgewunken. Deshalb kann ich mich an den Namen auch nicht mehr erinnern. Wie soll sie noch einmal geheißen haben?«
»›Direktinvest‹«, sagt
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