Russendisko
Thailänder hat man beim Black Jack keine Chance. Ich habe sie schon stundenlang beim Spielen beobachtet und versucht, das thailändische System zu entschlüsseln. Sogar den Hals hätte ich mir dabei fast verrenkt. Alles umsonst! Mit großer Bewunderung musste ich feststellen, dass die Thailänderinnen schon nach wenigen Spielen die 72- Karten-Reihenfolge auswendig können. Dadurch erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit des richtigen Handelns um hundert Prozent. Mit solchen Fähigkeiten könnten sie schon längst im Geld schwimmen, aber sie wollen ihr Geheimnis nicht preisgeben. So müssen die Thailänderinnen vorsichtshalber alles immer wieder verlieren.
Die Spielbank Berlin sieht manchmal aus wie eine Sondersitzung der UNO. Ich glaube sogar, dass in der Spielbank weit mehr Nationen vertreten sind als bei einer
gewöhnlichen UNO-Sitzung. An jedem Tisch wird verhandelt, welches System am besten funktioniert, die Lage ist gespannt, die Kugeln drehen ihre Runden, die Karten flimmern vor den Augen. Mir wird leicht schwindlig, und ich setze mich an die Bar. Eigentlich kommen hier nur Gewinner hin, die an einem Abend die ganze Spielbank leer räumen könnten. Um ihren Spaß und ihren Status zu behalten, müssen sie jedoch letztendlich alles Gewonnene wieder verspielen. Die Frau am Tresen heißt Lisa. Sie kommt aus England, wie auch ihr Freund, der als Croupier am Pokertisch arbeitet. Die Angestellten der drei großen Berliner Kasinos dürfen in Berlin nicht spielen. Wenn sie von der Verwaltung erwischt werden, sind sie ihren Job los. Lisa erzählte mir, wie schwer es ist, den ganzen Tag zuzusehen, wie andere spielen, und selbst nicht mitmachen zu dürfen. So muss sie immer wieder der Versuchung widerstehen. Das ist sehr anstrengend. Um sich zu entspannen, verbringen die beiden Engländer ihren Urlaub oft auf Malta, wo die Spielkultur sehr verbreitet ist und man schon für einen Vierteldollar dazugehört. Dort ziehen sie Nacht für Nacht durch die Kasinos, nie gehen sie an den Strand. Als ich Lisa nach dem englischen System fragte, schüttelte sie ausweichend den Kopf. Einmal hatte ihr Freund Willy das so genannte Zero-System beim Roulettespiel entdeckt. Für diese Entdeckung hatten beide einen teuren Preis bezahlt - sie verspielten ihre gesamte Urlaubskasse in einer Nacht. Seit diesem Vorfall sind sie fest davon überzeugt, dass es beim Glückspiel nur um den Zufall geht.
Die Türken denken anders und spielen leidenschaftlich gern an Automaten. Vor allem an denen, die einen Hebel haben, den man ganz toll runterziehen kann. Weil sie temperamentvoll sind und sportbegeistert. Das türkische System geht folgendermaßen: Zuerst suchen sie sich einen Automaten, der schon lange nichts rausgerückt hat. Dann warten sie ab, bis der leichtsinnige Franzose mit leeren Taschen nach Hause geht,
und füttern den Automaten so lange mit 5-Mark-Münzen, bis er endlich aufgibt und mit Musik und Geflacker »Check Point« aufleuchtet. Bei diesem System darf man niemals sparen und auch nie weniger als fünf Mark einwerfen, sonst klappt es nicht mit dem »Check Point«.
Die Deutschen mischen sich systemlos überall ein. Sie pokern, hopsen an die Black-Jack-Tische, ziehen dem Automaten den Hebel runter und verfolgen die Kugel in der Rouletteschüssel. Wenn sie gewinnen, freuen sie sich nicht, wenn sie verlieren, bleiben sie gleichgültig. Im Grunde genommen sind sie nicht aufs Spiel aus. Die Deutschen gehen ins Kasino, weil sie weltoffen und neugierig sind. Dort lernen sie die Systeme anderer Nationen kennen, die sie im Grunde aber auch nicht sonderlich interessieren.
Einmal, es war lange nach Mitternacht, ging im Kasino das Licht aus. Alle Systeme wurden durcheinander gebracht, die Spieler aller Nationen fluchten, jeder in seiner Sprache. Es hörte sich wie der letzte Tag von Babylon an. In diesem Moment ist mir klar geworden, dass all diese Menschen, wie unterschiedlich sie auch waren, nur das eine wollten: Strom.
Die M ü cken sind anderswo
Auf mich wirkt Berlin wie ein Kurort. In erster Linie wegen des milden Wetters. Im Sommer ist es selten heiß, im Winter nie richtig kalt. Und es gibt ganz wenige Mücken, hier im Prenzlauer Berg eigentlich gar keine. In New York gefährden die Moskitos den Straßenverkehr, sie übertragen Krankheiten und sorgen dort ständig für Epidemien. In Moskau ist die Mückenproblematik auch aktuell. Als ich letztens dort war, habe ich gesehen, wie ein Fernsehmoderator mitten bei der Übertragung der letzten
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