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Russisch Blut

Titel: Russisch Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Stadtkommandant nicht so stur gewesen, stünde sie noch heute da.«
    »Romanisch. Zweimal abgebrannt. Zweimal wieder aufgebaut. Zerstört durch einen amerikanischen Jagdbomber-Angriff am 20. April 1945 um 11 Uhr«, fügte der Lehrer soldatisch knapp hinzu. »Gesprengt im August. Natürlich ist auch das Geschichte, die es wert ist, bewahrt zu werden.«
    »Und was ist mit den Jahren danach? Wir haben in der Bib liothek eine wunderhübsche Sammlung realsozialistischer Memorabilia gefunden.« Alex Kemper blickte unschuldig. »Eine Marxbüste. Die illustrierte Volksausgabe von Karl May. Und einen Meter Jugendbücher, Reihe ›Spannend erzählt‹, vom Verlag Neues Leben.«
    Der Lehrer lächelte mild, die Bürgermeisterin guckte gequält.
    Nur Alma lachte. Zu laut. Alle starrten sie an, als sie sich mit strahlendem Lächeln in Bewegung setzte. In diesem Moment hob Zeus den Kopf, der bis dahin zufrieden vor der Terrassentür gelegen hatte, und stieß ein erstaunlich tiefes Knurren aus. Mit einem Satz hatte er Alma eingeholt, die mit ausgestreckten Armen auf die Tür zurauschte.
    Katalina versuchte, ernst zu bleiben. Zeus wuchs über sich hinaus. Wahrscheinlich glaubte der kleine Kläffer, er sei als Ersatz für Leo eingestellt. Sie versuchte gar nicht erst, ihm hinterherzupfeifen. Der Hund war nicht schlecht erzogen. Er war noch gar nicht erzogen.
    Alma stieß einen spitzen Schrei aus, Noa ließ ein Glas fallen, und von der Tür her hörte man erstaunte Laute. Dann hatte Zeus sich beruhigt. Er saß fromm auf seinen Hinterläufen und ließ sich von einem der beiden Männer, die im Türrahmen standen, die Ohren kraulen.
    »Das sind – unsere Überraschungsgäste«, sagte Alma mit einem schiefen Lächeln.
    »Die Überraschung ist ganz meinerseits«, sagte der andere der beiden Männer und trat in den Raum. Er hatte seine runden Körperformen in einen rustikalen Tweedanzug mit Weste gesteckt, wie ihn der gepflegte Landmann trägt, am Hals eine weinrote Fliege, und er trug einen Hut – wahrscheinlich, um den Kahlkopf zu verbergen. Seine Gesichtsfarbe deutete darauf hin, daß er dem guten Leben nicht abgeneigt war.
    Der andere, der Hundeflüsterer, dem Zeus wie ein Lämmchen folgte, die Lefzen zu einem anmutigen Lächeln verzogen, hatte ein schmales, asketisches Gesicht mit hellblauen Augen, die ein wenig schräg zu stehen schienen, volle, dunkle Haare, obwohl er nicht mehr der Jüngste war, und scharfe Falten zwischen Nasenwurzeln und Mundwinkeln.
    Alma hatte sich wieder beruhigt, hakte den kleinen Dicken unter und zog ihn mit sanfter Gewalt in die Mitte des Raumes. »Das ist Professor Doktor Sigurd Rust, der bekannte Archäologe!«
    Niemanden schien diese Auskunft sonderlich zu erregen.
    »Und das ist –« Alma kniff die Augenbrauen zusammen. Mit dem anderen Gast hatte sie offenkundig nicht gerechnet.
    »Dr. Moritz Bergen, ein Kollege«, sagte Rust großmütig. Der Mann wußte, wer hier der Star des Abends war.
    »Habe ich nicht kürzlich etwas gelesen von Ihnen?« Sophie runzelte die Stirn.
    Rust neigte den Kopf. »Sie meinen sicher meinen Beitrag zum Streit über die Varusschlacht?«
    »Quinctili Vare, legiones redde!« rief der Schulmeister.
    Rust lächelte geschmeichelt. »Ja, der Artikel hat Aufsehen erregt. Zu Recht. Ich kann schlüssig nachweisen, daß der nationalgeschichtlich so bedeutsame Sieg der Germanen über die römischen Legionen nicht dort stattfand, wo man Millionen von Steuergeldern in ein gigantisches Museum investiert hat, um dem Publikum das Geld aus der Tasche zu ziehen. So etwas nennt man unter ehrlichen Wissenschaftlern Betrug.«
    »Und Sie wissen – wo es wirklich geschah?« Alex Kemper klang irreführend höflich.
    Rust schien Kempers Ironie nicht zu bemerken. »Nicht nur ich vermute, daß Varus nie in Kalkriese war.«
    »Aber man hat doch etwas gefunden dort!« Sophie schüttelte den Kopf.
    »Münzen. Eine Axt. Eine Gesichtsmaske, der einzige Fund von Belang. Beschläge von Fuhrwerken. Ein paar verrottete Pfosten. Reste von Sandalen. Solche Funde kann man überall machen, wo Römer waren.«
    »Aber –«
    Rust strahlte Sophie an. »Genau! Es fehlt jeder konkrete Hinweis auf eine finale Schlacht! Aber wer will schon zugeben, daß die Fördermittel ins falsche Projekt geflossen sind?«
    »Und nun sagen Sie uns noch, daß das wirkliche Schlachtfeld gerade hier um die Ecke war, und wir können unsere Probleme als gelöst betrachten!« sagte Kemper.
    »Wer weiß?« Rust schüttelte Gundson die Hand

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