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Russische Freunde: Kriminalroman

Russische Freunde: Kriminalroman

Titel: Russische Freunde: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matti Rönkä
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ich unterbrochen, wieder von hinten.
    Schon bevor ich mich umdrehte, wusste ich, dass der Mann kein Rettungshelfer war. Sein Spezialgebiet war eher Vernichtung.
    »Was für ein Glück, dass niemand im Haus war«, sagte er auf Russisch. Er war einer der beiden trübsinnig gekleideten Burschen aus dem roten Toyota, den wir auf der Baustelle abgeschlossen hatten.
    »Kommen Hunger und Wind ins Haus, so fliegen Glück und Liebe aus«, zitierte der Mann ein altes Sprichwort und blickte an mir vorbei zu Marja. »Jetzt wird es wohl Zeit, den Stift in die Hand zu nehmen und die Papiere zu unterschreiben.«
    Er richtete seine grauen Augen wieder auf mich und deutete mit dem Kopf schräg nach hinten. An der Ecke des Grundstücks stand der zweite Toyota-Mann, und oben am Hügel sah ich die Businesszwillinge. Sie waren umringt von einer Schar Hortkinder, die gebannt die Feuerwehrautos betrachteten, und stachen mit ihren dunklen Anzügen und gestreiften Krawatten wie Freaks von den gelb und rot und hellgrün gekleideten Dreikäsehochs ab.
    Ich wandte dem Mann den Rücken zu und sagte leise, aber übertrieben deutlich zu Marja: »Geh in die alte Halle. Ruf Aljoscha an. Die Türen verriegeln!«
    Marja öffnete den Mund eher zum Ausrufe- als zum Fragezeichen, doch ich ließ sie nicht zu Wort kommen. »Los«, zischte ich, drehte mich wieder um und lächelte um Entschuldigung bittend.
    Der Mann verbarg seine Überheblichkeit nicht im Geringsten. Er lächelte wie ein Jäger, der sich anschickt, seiner verwundeten Beute den Gnadenschuss zu geben. Aber ich war kein Hase, sondern ein schlaues Wiesel. Beinahe hätte ich gelacht.
    Ich breitete die Arme aus und holte tief Luft, als wollte ich zu einer langen Erklärung ansetzen. Ohne Vorwarnung schlug ich mit beiden Händen gegen die Kehle des Mannes und rammte ihm ein Knie in den Magen. Das Manöver stammte nicht direkt aus dem Karatelehrbuch des Militärs, war aber deshalb nicht weniger wirkungsvoll.
    Ich schaute mich kurz nach Marja um. Sie rannte auf die Bahnstrecke zu. Über die Brücke oder durch die Unterführung am Bahnhof würde sie auf die andere Seite gelangen, auf dem Trimmpfad am Flughafen von Malmi vorbeilaufen, und dann war sie bald in der Halle in Tattarisuo und in Sicherheit. Marja schafft es, sagte ich mir.
    Der zweite Toyota-Mann stürmte auf mich zu und tastete nach der Waffe in seinem Gürtel. Ich rannte ihm entgegen, sprang hoch und versuchte, ihm mit geschlossenen Beinen in den Brustkorb zu treten, traf allerdings ein wenig daneben, an Schulter und Hals. Der Mann fiel ungeschickt. Er schwang einen Arm nach hinten, um den Aufprall zu dämpfen. Sein Oberarm knallte gegen den Betonpfeiler des Tors, und ich wusste, dass irgendein Knochen zersplittert war.
    Ich rannte zu der kleinen Straße unterhalb des Hügels. Ein kurzer Blick zurück verriet mir, dass die Businesszwillinge in die gleiche Richtung strebten, aber durch die hüpfenden Kinder aufgehalten wurden. Die Männer versuchten sich durch die Schar zu drängen, schubsten die Kinder zur Seite, eine Hand in der Brusttasche. Hoffentlich würden sie ihre Waffen nicht ziehen. Ich hörte, wie die Kinder kreischten und eins der frecheren die Männer anpflaumte. Die Kindergärtnerin eilte herbei und schimpfte; ob mit den Männern oder mit dem Kind, wusste ich nicht.
    Ich hielt mich nicht damit auf, die Erziehungsmaßnahme zu beobachten, sondern sprang in den Schatten der Häuser. Normalerweise war die Straße durch Betonklötze versperrt, aber irgendwer hatte sich die Mühe gemacht, sie zu verschieben. Der Zwischenraum war breit genug für einen Wagen. Folglich konnten die Zwillinge mich im Auto hetzen, sobald sie der Kindergruppe entkommen waren.
    Ich bog in ein Gässchen zwischen zwei Reihenhäusern ein, das zum neuen Spielplatz führte, lief auf dem Aschenpfad quer über den Platz, wartete gebückt an der größeren Straße und sprintete hinüber. Dann schlug ich noch ein paar Haken zwischen den Einfamilienhäusern und gelangte schließlich in ein Wäldchen, das von kreuz und quer verlaufenden Wanderwegen durchschnitten wurde. Erst bei der Fitnessstation an der Joggingstrecke hielt ich an und setzte mich auf die für Bauchmuskelübungen vorgesehenen Planken, um meine Atmung unter Kontrolle zu bringen und mich zu vergewissern, dass mir niemand folgte.
    Der Wald hatte eine beruhigende Wirkung, obwohl es nur ein kleiner Flicken von einigen Hektar war, mit Birken und Weiden durchsetzter Fichtenwald. Als Kind war ich oft allein

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