Russische Freunde: Kriminalroman
Jahr die Vergleichswerte eintrug.
»Marja, ich kläre die Sache. Danach wird es besser.«
Ich wusste, wie hohl meine Worte klangen. Doch mehr konnte ich nicht sagen, sonst hätte ich angefangen zu greinen, für mich sei es ja auch kein Spaß, dass das Haus abgebrannt war und mir Räuber und Killer im Nacken saßen.
»Okay«, sagte Marja und schaffte es, in irgendeinem Zwischenraum Zweifel und Anklage und Geringschätzung und Abscheu unterzubringen, obwohl das eine Wort nicht mal eine Zeile füllte. »Na, sieh zu, dass du am Leben bleibst«, fügte sie hinzu und legte auf.
Ich behielt das Telefon in der Hand, obwohl Marjas Abschiedsworte klar und deutlich gewesen waren. Sie würde nicht zurückrufen: Schatz, ich wollte unbedingt noch einmal deine Stimme hören. Aber dem konnte ich jetzt nicht nachtrauern, und ändern konnte ich es auch nicht. Ich musste mich darauf konzentrieren zu überleben, zu entkommen. Und auch ohne die Kriegslehren der alten Chinesen wusste ich, dass ich mich nicht in einer Höhle verkriechen, sondern in die unwahrscheinlichste Richtung fliehen würde. Geradewegs ins feindliche Lager.
Meine Halle hockte in der hinteren Ecke eines großen Grundstücks, am Ende einer einsamen Stichstraße. Sie wirkte verlassen, die Wände waren mit Graffiti beschmiert. Ursprünglich hatte ein großes Bauunternehmen hier sein Lager und seine Schweißerei gehabt. Unordentliche Haufen von Rohren, Eisenblöcken und grau verfärbtem Holz auf dem Hof hielten die Erinnerung an diese Zeit wach.
Devisenkredite hatten den Baulöwen zu Fall gebracht. Die Halle war im Zuge diverser Bankfusionen von einer Immobilienfirma auf die andere übergegangen, an eine Motorradgang vermietet, geräumt und wieder vergessen worden, bis der größere Konkursschrott beseitigt war und die Immobilie nur noch als störender Müll wahrgenommen wurde. Ein unprofitabler Besitzposten, ein hässlicher Fleck in der sauberen Bilanz der Bank.
Ich war zur Zeit der Motorradgangster einmal in der Halle gewesen, hatte in einer chaotischen Situation, an die ich ungern zurückdachte, verhandeln müssen. Aber später war ich auf meinen Joggingrunden oft hier vorbeigelaufen, hatte das große Grundstück und das hässliche, aber geräumige Betongebäude betrachtet. Und irgendwann hatte ich haltgemacht, war über den umgekippten Zaun auf den Hof gegangen und hatte die Abmessungen der Halle, die Platzierung der Türen und Zufahrtswege in Augenschein genommen.
Dann hatte ich das Grundstück und das Gebäude gekauft, wie ich fand, zu einem günstigen Preis. Der Immobilienchef der Bank, ein Koloss mit einer Vierteltonne Lebendgewicht, hatte mir ausdrücklich geraten, auf dem Gelände nicht allzu tief zu graben, denn dabei würde ich womöglich auf eine obskure Brühe aus Großvaters Zeiten stoßen, gegen die die Bläumittel der alten Sägewerke die reinste Limonade waren. Der Verursacher würde kaum aufzufinden sein, aber mit der Freude am Besitz wäre es vorbei. Auf dem fraglichen Gelände habe es seit fünfzig Jahren Unternehmenstätigkeit gegeben, und in dieser langen Zeit seien einige Konkurse zu verzeichnen gewesen, erklärte der Bankmensch und trocknete sich mit einem Stofftaschentuch die Stirn.
Es fiel mir leicht, ihm zu versprechen, dass ich nicht im Erdboden wühlen würde. Ich hatte die Absicht zu bauen. Nicht auf dieses Grundstück, sondern auf diesem Grundstück, witzelte ich. Mein Plan war, die Halle in eine kleine Häuserfabrik umzuwandeln. Ich würde meine besten Bauarbeiter zusammentrommeln, und sie sollten in der Halle Elemente für kleine Häuser oder Sommerstuben bauen, in kleinen Serien oder nach individuellen Bauzeichnungen. Dann würden wir die Fertigbauteile auf die Karelische Landenge und in die Umgebung von Sankt Petersburg liefern, als Wohnhäuser oder Ferienvillen für die Reichen in Russland.
Ich wusste, dass auch an erstklassigen Feriendörfern Bedarf bestand, auch auf finnischer Seite mindestens bis hinauf nach Kitee und Tohmajärvi im Norden. Die derzeit verfügbaren Häuser wurden den Ansprüchen der russischen Urlauber nicht gerecht oder waren falsch ausgestattet.
Zuverlässige Arbeitskräfte würde ich zur Genüge finden, davon war ich überzeugt. Meine eigene Mannschaft konnte ich durch ausgewählte Männer aus Karelien und Estland ergänzen, und auch weiter nördlich in Archangelsk gab es vernünftige Burschen, die nicht gleich nach Maschinen riefen, wenn schwerere Arbeiten anstanden. Vatanen, der gerade auf meinen
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