Russische Freunde: Kriminalroman
etwas zu elegante Halbschuhe mit Ledersohle. »Korhonen«, sagte ich und brachte es nicht einmal fertig, mich zu wundern.
Ich bückte mich und rüttelte den schlaff auf dem Boden liegenden Polizisten an der Schulter. Korhonen rührte sich nicht. Ich wurde unruhig. Einen Polizisten tot oder auch nur bewusstlos zu schlagen war kein Bagatelldelikt, und im Moment konnte ich wirklich keine zusätzlichen Probleme brauchen.
»Buh!«, rief Korhonen plötzlich und sprang auf. »Au verdammt, das Ohr tut mir weh.« Er hielt sich den Kopf, zwinkerte mir aber gleichzeitig zu. »Haha! Ich hab mich ein bisschen tot gestellt. Der kleine Viktor war schon in Panik«, verhöhnte er mich.
»Ja, ja. Du hast vergessen, die Luft anzuhalten, deine Nase hat gepfiffen. Als du hier rumgeschlichen bist, hab ich mich gefragt, ob eine Dudelsackkompanie aus dem Hochland einmarschiert«, gab ich erleichtert zurück. »Was zum Teufel willst du hier überhaupt?«
»Ich hab mich ein bisschen umgehört und von deinem neuen Schlupfwinkel gehört. Da wollte ich nachsehen, ob deine Pyromanenkumpel auch hier zündeln«, erklärte Korhonen. »Ich hatte das Rätsel um den verschwundenen Kärppä nämlich ganz schnell gelöst. Was glaubst du, wie lange deine heißen Freunde brauchen, um dich zu finden? Ich hab meinen Wagen hier, komm, wir fahren los.«
»Ich fahr nirgendwohin. Jedenfalls nicht mit dir.«
»Na, was hast du denn sonst vor?«
»Das geht dich einen Scheißdreck an.«
Korhonen sah mich mit seitwärtsgeneigtem Kopf an.
»Mir scheint, du brauchst jeden Freund und Kumpel, den du kriegen kannst. Und es herrscht nicht gerade großer Andrang an Leuten, die dir helfen wollen. Jedenfalls seh ich hier keine Batzen fliegen, obwohl gerade jetzt die Kavallerie heransprengen müsste.«
»Hä? Was für Scheißbatzen?«, fragte ich.
»Ach ja, als Kind vom Archipel Gulag hast du natürlich keine Ahnung von gar nichts. Der Schinder, sagt dir das was?«, examinierte Korhonen mich.
»Ist das ein Film, eine Soldatenfarce oder so? Eine Figur von Aku Korhonen?«, riet ich. Ich wusste, dass ich etwas darüber gelesen hatte.
Nach meiner Ankunft in Finnland hatte ich sämtliche Wissensbrocken gesammelt, deren ich habhaft werden konnte, hatte Bücher und Zeitschriften gelesen, von Micky Maus über Welt der Technik bis zu Du und dein Heim. Um nicht blöd dazustehen, wenn jemand fragte, hast du Viljo gesehen, oder über Juha Föhr redete. Trotzdem begegnete mir tagtäglich irgendein Kuriosum, von dem ich keine Ahnung hatte, das aber alle anderen lächelnd wiedererkannten.
»Der Schinder war eines der großen Bücher der Siebziger-Jahre. Ein Epos über die Neusiedlergeneration und ihre Kinder. Es ist auch verfilmt worden. Und im Roman ebenso wie im Film sagen die Leute, wenn jemand besonders langsam ist, da fliegen keine Batzen. Ein Batzen wiederum ist so ein eisiger Schneeklumpen, der von den Hufen eines Pferdes auffliegt. Wenn man so richtig schnell voranprescht, dann fliegen die Batzen«, erklärte Korhonen und zeichnete mit dem Arm einen Bogen in die Luft.
»Schönen Dank für die Vorlesung. Folklorestudien sind genau das, was ich im Moment brauche«, murrte ich.
»Na verdammt noch mal, du hast doch gerade erst behauptet, du hättest keine Eile und keine Not«, schnaubte Korhonen. Er kaute auf den Lippen, sagte dann bittend, fast flehend: »Du könntest mir wenigstens erklären, worum es geht, wer dir zusetzt.«
Korhonen hatte sich vor mir aufgebaut und schob seine Ledersohlen auf dem glatten Beton vor und zurück. Er berichtete, ihm seien verworrene Gerüchte zu Ohren gekommen. Demnach war ein ganzer Trupp von Gangstern auf mich angesetzt, einige in modischen Anzügen, aber auch traditionelle Typen in Anoraks. Und gleich darauf geht ein Haus in Flammen auf, ein Haus im alten Stil mit Mansardendach, auf eigenem Grundstück mit zusätzlichem Baurecht und pittoreskem Garten. Man brauche keine Differenzialgleichung, um zu begreifen, dass der gute Viktor in der Klemme stecke. Und da Onkel Teppo sich gewissermaßen zu Dank verpflichtet fühle, sei er sofort herbeigeeilt. Freilich gebe es hier zugleich auch eine berufliche Herausforderung für ihn selbst, eine Gelegenheit, sich zu bewähren, damit seine Zukunft im Dezernat für Berufs- und Gewohnheitskriminalität gesichert sei und er aus dem fensterlosen Abhörkeller herauskomme.
»Hast du Mist gebaut? Bei der Arbeit? Oder zu Hause?«, fragte ich ziemlich direkt.
Ich erinnerte mich nur zu gut an Korhonens
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