Russische Freunde: Kriminalroman
Unebenheiten kam er leicht ins Schwimmen, trug seine Zweimannfracht jedoch mühelos.
» Das Gummi singt, das ist das Lied der Arbeit «, schmetterte Korhonen hingebungsvoll. »He, das passt ja auf die Vögelchen, die für dich arbeiten. Die machen’s doch hoffentlich nicht ohne Präser?«
»Muss ich es auch dir schwören?«, stöhnte ich. »Ich bin kein Zuhälter, betreibe kein Bordell, vermittle keine Frauen, keine erotischen Dienstleistungen. Ich besitze lediglich ein paar Wohnungen, für die ich die ortsübliche Miete verlange. Wie meine Mieterinnen sich ihre Brötchen verdienen, geht mich nichts an.«
»Mann, das Geschwafel hab ich schon zu oft gehört. In den Wohnungen geben sich die Freier die Klinke in die Hand, aber der Vermieter weiß von nix«, höhnte Korhonen.
»Sei still oder ich setz dich raus. Eigentlich komme ich ohne deine Hilfe sowieso besser zurecht. Was soll ich mit einem Kerl, der pausenlos nörgelt wie ein Weibsbild!«
»Ui, jetzt hat der Viktor was Böses gesagt, das tut Teppo richtig weh«, brabbelte Korhonen. »Oder steckt was Psychologisches dahinter? Nörgelt deine Marja? Irgendwie spüre ich eine angespannte Atmosphäre. Vielleicht haben nach der ersten Verliebtheit Alltag und Kälte Einzug gehalten, und die Partnerin sieht nicht mehr so herrlich aus? Bei genauerem Hinschauen entdeckt man Zellulitis an der linken Pobacke, und morgens hat sie einen fürchterlichen Mundgeruch. Obendrein hat sie die unerträgliche Angewohnheit, ihre Strumpfhose zerknüllt auf dem Boden liegen zu lassen.«
Ich sah in den Rückspiegel und überholte einen Tankwagen. Mein Gesichtsausdruck blieb neutral, aber ich merkte, dass ich auf der Unterlippe kaute.
»Das ist schon wahr«, gab ich zu. »Marja ist irgendwie anders als früher. Dabei macht sie mir den Vorwurf, ich hätte mich verändert, ich wäre total verdorben. Und ich hab das Gefühl, dass nichts gut genug ist, dass alles, was ich tue, irgendwie falsch ist.«
» Keine Angst, ich tue, was ich ka-a-nn «, schmetterte Korhonen die letzten Worte des Songs, klopfte den Rhythmus auf den Schenkeln mit. »Ganz normal in dem Alter«, meinte er dann, so wenig tröstlich wie ein Urologe, der bei einem Patienten Prostatakrebs diagnostiziert. »Sag mir mal, was du erwartest. Vom Leben. Und von Marja. Ein vernünftiges Mädchen mit einem kühlen Kopf. Sie klagt bestimmt nicht ohne Grund.«
»Was soll das heißen, ein Mädchen! Sie ist eine erwachsene Frau, trägt neuerdings Jackenkleider«, wandte ich ein. Mir wurden beinahe die Augen feucht, als ich an Marja dachte, in Jeansjacke, verhalten lachend, mit einem roten Band in den Haaren. Oder im Winter, in ihre Fäustlinge hauchend. Mein Fuchsmädchen, hatte ich sie zärtlich genannt. Ihr scheuer Blick, ihr reserviertes Lächeln und ihre verwuschelten Haare hatten mich einfach an einen Fuchswelpen denken lassen.
»Und?«, erinnerte Korhonen mich daran, dass ich seine Frage nicht beantwortet hatte.
»Bist du neuerdings Therapeut?«, pflaumte ich ihn an.
»Wie ich des Öfteren ausposaunt habe und wie du sehr wohl weißt, bin ich mit einer finnlandschwedischen Psychologin verheiratet. Außerdem habe ich, wenn auch nur halbwegs, einen Jungen großgezogen, der mir über den Kopf wächst, und Zwillingsmädchen, die sich nicht entscheiden können, ob sie sich Strings oder eine neue Bratz-Puppe wünschen. Über meine Kindheit könnte man einen Lehrfilm drehen. Ein Film über mein späteres Leben wäre allerdings für Minderjährige verboten. Und bei der Arbeit sehe und untersuche ich jeden Tag die Taten und Sorgen von zig Menschen. Ich weiß einiges über das Leben als solches«, erklärte Korhonen ernsthaft. »Also noch einmal, Simeoni: Wo sind die Hosenträger?«
»Was?« Ich verstand kein Wort, sah Korhonen verdattert an.
»Sorry. Ich vergess immer wieder, dass du eine kulturgeschichtliche Herausforderung bist. Das war ein Zitat aus einem Lied über die Mondrakete der kleinen Eichhörnchen.«
»Ja natürlich. Klar doch«, spöttelte ich.
»Red nicht um den heißen Brei herum. Ich wiederhole: Was willst du?«
Ich fuhr in gleichmäßigem Tempo, gut hundertzwanzig. Es herrschte kaum Verkehr, also hatte ich keinen Vorwand zu schweigen.
»Das ist nicht so einfach«, sagte ich schließlich. »Oder andererseits doch. Ganz einfach. Ich bin nach Finnland gekommen. Ich wollte mir meinen Lebensunterhalt verdienen. Also habe ich gearbeitet. Ich habe versucht, Menschen kennenzulernen, Frauen und Männer, Freunde zu
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