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Russische Freunde: Kriminalroman

Russische Freunde: Kriminalroman

Titel: Russische Freunde: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matti Rönkä
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gewinnen. Ganz allein kommt man schließlich nicht zurecht, und allein will man auch nicht sein. Das war nicht leicht, weil ich ein Auswärtiger bin. Aber daran hab ich mich schon gewöhnt«, fasste ich zehn Jahre in zwanzig Sekunden zusammen.
    »Lass das übliche Diskriminierungsgegreine weg«, sagte Korhonen. »Was tut sich im Marja-Sektor?«
    »Na ja, es ist wohl der normale Verlauf. Wir haben uns kennengelernt. Marja hat damals noch studiert. Wir sind halbwegs zusammengezogen. Dann war Marja in Amerika, und als sie zurückkam, haben wir eben festgestellt, dass es Blödsinn ist, zwei Wohnungen zu haben. Und jetzt renoviere ich das Haus. Das heißt, ich wollte anbauen …«, korrigierte ich mich, als mir einfiel, dass von dem Haus in Tapanila nur noch der zerborstene Sockel übrig war.
    »Normal? Ist das etwa ein normales Leben, wenn der Mann die Marmelade auf den Toast durch Schmuggelei verdient, durch Kuppelei, Betrügereien, Drohungen …«, zählte Korhonen auf.
    »Was für Betrügereien?«, fragte ich beleidigt.
    »Na, zum Beispiel führst du keine Steuern ab, weder von deinen Einkünften noch vom Lohn deiner Leute«, gab Korhonen ungerührt zurück.
    »Aber ich hab meine Geschäfte ständig näher an die Legalität geführt. Ich hab die alten Zeiten hinter mir gelassen«, beteuerte ich.
    »Eben. Die guten alten Zeiten und den guten alten Viktor. Du bist ein Spießer und Korinthenkacker geworden. Früher hast du deinen Slobokumpels geholfen, hast Omas rumkutschiert und für ingermanländische Opas Formulare ausgefüllt. Jetzt hast du Angst, sie könnten dir mit ihrem Hosenboden den Sitz in deinem feinen Mercedes schmutzig machen. Und o je, du hast es ja auch so eilig, und Zeit ist Geld«, beendete Korhonen seine Analyse.
    Ich wusste nichts zu sagen. Ich hatte mich bereits darauf eingestellt, zuzugeben, dass mein Leben vielleicht doch nicht ganz in den normalen und vertrauten und sicheren Bahnen verlief. Und dann wollte ich Gegenargumente anführen und zu der Schlussfolgerung gelangen, dass es auch gar nicht normal sein konnte. Schließlich war ich selbst etwas Besonderes, speziell ausgebildet, getestet und abgehärtet. Und nun warf mir auch Korhonen vor, ich sei kein angenehmer Zeitgenosse mehr.
    »Ich halte da vorn an der Tankstelle. Ich muss ein paar Leute anrufen«, sagte ich und versuchte festzustellen, ob meine Stimme belegt klang.

11
    Die Frau im Sankt Petersburger Büro zog ihre Ausflüchte in die Länge. Ich erklärte höflich, Onkel würde bestimmt gern mit mir reden, könnten Sie ihm, paschalsta , mitteilen, dass ich in ein paar Minuten noch einmal anrufe, oder mir gegebenenfalls sagen, dass Onkel verhindert, beschäftigt oder sonstwie unerreichbar ist. Und Sie verstehen wohl, djewuschka , ihr Boss Kutuzow ist ein enger Freund von mir, der Pate meiner künftigen Kinder, so Gott will …
    Moment , sagte die Frau, als deklamiere sie ein Gedicht von Lermontow. Ich hatte keine Ahnung, ob meine Worte irgendeinen Eindruck auf sie gemacht hatten. Vielleicht meinte sie wirklich eine kurze Wartezeit, womöglich hatte sie aber auch vor, mich auf eine erdumrundende Linie zu schalten und sich dann weiter die Nägel zu polieren. Die Frau schien den Hörer abzudecken und mit jemandem zu sprechen. Ich hörte Gemurmel und Wortfetzen. Dann rauschte es, und die Verbindung öffnete sich.
    »Viktor Nikolajewitsch, mein lieber Junge! Wie geht’s?«, fragte Onkel.
    Ich entschuldigte mich, weil ich mich unhöflicherweise kurzfassen musste. Ich hatte einfach keine Zeit, mich nach der Gesundheit seiner Mutter und nach der Pfifferlingsernte zu erkundigen.
    »Das musst du verstehen, Onkel, ich sitze in der Scheiße«, erklärte ich. »Sag mir als Erstes, ob ihr dahintersteckt.«
    »Nein, wir nicht«, erwiderte Onkel.
    »Würdest du es mir sagen, wenn ihr es wärt?«, fragte ich.
    Ich hörte genau hin, um zu erkennen, ob er zögerte. Ich schloss die Augen, um genauer zu sehen, stellte mir vor, wie Onkel am Schreibtisch der Sekretärin stand. Vermutlich stützte er sich mit der linken Hand auf dem Tisch ab und hielt den Hörer in der rechten.
    »Nein. Aber es muss dir doch ohnehin klar sein: Wenn wir zugange wären, würdest du mich nicht mehr anrufen. Im Sarg geht das schlecht«, entgegnete Onkel, ohne beleidigt zu sein oder mich verletzen zu wollen.
    Ich wusste, dass er ernst vor sich hin blickte, seine Augen suchten keine Erklärungen und verrieten nichts.
    »Denk doch mal nach«, forderte er mich auf. »Wir haben in

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