Russische Volksmaerchen
Burschen: »Wir sind nicht stark genug, den Anhusei im Schlafe zu tödten; wenn er aufwachte, so würde er uns alle umbringen, besser wäre es wohl, wenn sich jezt Jemand auf das Bette des Königs legte, während er auf der Jagd ist, den Anhusei zu sich berufte und ihm eine Schrift einhändigte, damit er sie dem Saltan Saltanowitsch übergäbe, an den man schreiben müßte, daß er dem Anhusei bösen Tod gäbe.« – Als dies der Haushofmeister Orlop hörte, sprang er entzückt von der Stelle, umarmte den Burschen, welcher diesen bösen Rath gegeben hatte, und beschenkte ihn dafür mehr als die übrigen. Nachdem die falsche Schrift verfertigt war, legte sich Orlop auf das königliche Bette, berief den Vowa vor sich und sprach zu ihm: »Leiste mir treu und redlich den letzten Dienst, Anhusei: überbringe diese Schrift dem Zaren Saltan Saltanowitsch und überreiche sie ihm eigenhändig. Wenn du zurückkehrst, werde ich dich belohnen, wie du es verlangen wirst.« – Vowa konnte in der Schlaftrunkenheit nicht erkennen, daß Orlop, und nicht der König, ihm diesen Befehl gab, nahm die Schrift, ging aus den königlichen Gemächern, sattelte sich ein gutes Roß und ritt ab nach dem Reiche des Zaren Saltan Saltanowitsch.
Er ritt zwei Monate und gelangte in eine Wüste, wo kein Fluß, kein Bach und kein kühlender Brunnen war, und Vowa bekam einen unerträglichen Durst. Als er noch etwas weiter geritten war, holte er einen Pilger ein, bei dem er einen Schlauch mit Wasser sah, und fing an, ihn zu bitten, er möchte ihm wenigstens einen Krug voll geben, um seinen Durst zu löschen. Der Greis schüttelte sogleich etwas Schlafpulver in das Wasser und gab dem Vowa Korolewitsch zu trinken. Kaum hatte er dies Wasser getrunken, so fing es an, ihn zu schläfern, und er stieg ab von seinem Rosse und schlief wie ein Todter. Da nahm der Greis das Schlachtschwert, setzte sich auf das Roß, ritt von dannen, und ließ ihn allein mitten in der Wüste ohne Waffen. Vowa Korolewitsch schlief zehn Tage, und als er erwachte, und neben sich weder das gute Roß, noch das Schlachtschwert und den Streitkolben fand, weinte er bitterlich und sprach zu sich selbst: »Es scheint, daß ich guter Jüngling nicht lebendig von diesem Dienste zurückkehre, und daß mich der König Sensiboi Andronowitsch für meinen treuen Dienst zum Tod zu dem Zaren Saltan Saltanowitsch gesendet hat.« – Nach diesen Worten ging er auf seinem Wege zu Fuße weiter, und sein Kopf hing niedriger, als die starken Schultern.
Als Vowa Korolewitsch vor dem Zaren Saltan Saltanowitsch erschien, neigte er sich vor ihm bis auf die Erde, übergab ihm die Schrift und sprach: »Langes Leben euch, gnädiger Herr und Zar Saltan Saltanowitsch! Ich bin an deine Majestät von dem König Sensiboi Andronowitsch gesendet, um dir von seiner Gesundheit Nachricht zu bringen, nach deiner mich zu erkundigen, und dir diese Schrift zu übergeben.« – Zar Saltan Saltanowitsch nahm von Vowa die Schrift, erbrach das Siegel, fing an zu lesen und schrie dann mit starker Stimme: »Wo sind meine mächtigen Ritter, treuen Diener und tapfern Krieger? Ergreift diesen Gesandten Sensiboi's und führt ihn an den Galgen, denn er hat meinen lieben Sohn erschlagen und unser mächtiges Heer vernichtet.« – Da stürzten sechzig Ritter Saltan's hervor, umringten Vowa und führten ihn auf's Feld, um ihn aufzuhängen. Unterwegs sann Vowa Korolewitsch bei sich nach, wodurch er so schimpflichen Tod verdient habe, und in der Blüthe der Jahre die Welt verlassen müsse. »Es wäre besser, wenn meine Mutter mich in der Stadt Anton umgebracht hätte, oder wenn ich von Markobrun's Edelleuten oder von Lukoper auf dem Felde erschlagen worden wäre.« Und da riß er sich los, und schlug alle sechzig Ritter nieder und entfloh aus dem Reiche.
Als dies Zar Saltan Saltanowitsch hörte, befahl er alsbald in die Trompeten zu stoßen, und es sammelten sich sogleich seine tapfern Ritter, bis auf hundert tausend, jagten dem Vowa Korolewitsch nach, und umringten ihn von allen Seiten. Vowa Korolewitsch hatte weder ein gutes Roß, noch ein scharfes Schwert, oder eine stählerne Lanze, und er hatte nichts, womit er sie abwehren konnte. Da faßte er einen von Saltan's Kriegern, und fing an, mit ihm um sich zu schlagen; allein er sah, daß er sie nicht alle erschlagen konnte und gab sich gefangen. Sie griffen ihn, banden ihm die Hände, und führten ihn vor Saltan Saltanowitsch. Da schrie der Zar, man solle die Henker holen, Vowa
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