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Russisches Requiem

Russisches Requiem

Titel: Russisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Ryan
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können sie ziemlich ungebärdig werden. Presnaja-Mädel durch und durch. Du kannst sie gern festnehmen, sonst laufen sie vielleicht noch zu Marschall Tuchatschewski und erzählen ihm, dass seine Spieler dreckige Betrüger sind.«
    »Das würde mich sehr freuen.« Koroljow bemerkte, dass Semjonow zu ihnen herüberstarrte, und erinnerte sich an den Zweck seines Besuchs. »Hör mal, Nikolai, gestern Nacht wurde hier eine Leiche abgelegt, und ich brauche jemanden, der mir zeigt, wo genau das war.«
    Starostin runzelte die Stirn. »Ach ja, der Platzwart hat den Toten gefunden, ich kann es dir selbst zeigen. Er hat mich rausgeholt, damit ich es mir anschaue. Ziemlich unschön. Komm.«
    Koroljow winkte Semjonow heran, und sein Kollege stieg strahlend aus dem Wagen und salutierte in Habtachtstellung. »Guten Tag, Genosse Starostin!« Er lief rot an, als der Fußballer lachte.
    Doch Starostin blieb sofort stehen, als er die Unsicherheit des Jüngeren bemerkte, legte ihm den Arm um die Schultern und führte ihn zum Spielfeld. »Kein Grund zur Verlegenheit, Genosse. Sie waren nur ein bisschen steif im Beisein meines alten Freundes Alexei Dimitrijewitsch, das ist alles. Sie sind also gekommen, um den Mord hier zu untersuchen?«
    »Bei mir salutiert er nie, und ich bin zwei Ränge über ihm.« Koroljow lächelte, weil sich Semjonow wie ein kleiner Junge darüber freute, dass der berühmte Starostin Arm in Arm mit ihm ging.
    »Sind Sie Fußballanhänger, Genosse? Auch Spartak?«
    Semjonow konnte nicht lügen, wirkte aber wenigstens ein wenig kleinlaut wegen seiner Vorliebe. »Tut mir leid, Genosse Starostin - Dynamo.«
    »Das macht doch nichts. Dynamo hat eine gute Mannschaft. Vor einigen Monaten war ich mit einigen von ihnen unterwegs, das sind wirklich nette Kerle.«
    Semjonow nickte zustimmend, wenngleich er von diesen netten Kerlen keinen einzigen persönlich kannte. Doch nun war er gerade Nikolai Starostin begegnet. Nachdenklich rieb er sich über das Kinn. »Vielleicht werde ich jetzt, nachdem ich Sie kennengelernt habe, Genosse, Dynamo
und
Spartak unterstützen.«
    Starostin lachte. »Neue Anhänger sind uns immer willkommen, Alexei. Ich glaube, ich muss dir noch eine Eintrittskarte für deinen jungen Kollegen geben. Die Rot-Weißen freuen sich über jeden, der sie anfeuert.«
    »Also, Genosse, wenn ihr gegen diese Mistkerle von der Armee spielt, stehe ich zu hundertzehn Prozent hinter euch. Großes Komsomol-Ehrenwort!«
    Semjonow stieß die Bemerkung mit solcher Vehemenz hervor, dass die beiden Älteren etwas länger lachen mussten, als es die Höflichkeit gebot.
    Während der Unterhaltung war Starostin durch das offene Tor vorausgeschritten, und nun deutete er auf den Tribünenbereich am östlichen Ende des Stadions, wo die Stehplätze schutzlos den Elementen ausgeliefert waren.
    »Dort hat ihn der Platzwart entdeckt, ein paar Reihen weiter hinten. Ich habe mit ihm gewartet, bis die Miliz kam, damit nichts verändert wird. Er war ziemlich übel entstellt, der Tote. Irgendein Schwein hat ihm ...«
    »Ja, das wissen wir schon. Wir haben den Toten im Leichenschauhaus gesehen.« Koroljow hatte keine Lust darauf, an die grausigen Details erinnert zu werden. Sein Blick folgte Starostins ausgestrecktem Zeigefinger. Nichts ließ erkennen, dass hier noch vor kurzem eine Leiche gelegen hatte, wenn man einmal absah von den zahlreichen Fußspuren, die aus vielen Richtungen zusammenliefen und sich an einer zerfurchten Stelle trafen, wo der Schnee eine rosige Tönung hatte.
    »Alles ganz zertrampelt. Weißt du zufällig noch, ob schon Abdrücke da waren, als du angekommen bist? Schleifspuren zum Beispiel?«
    »Eigentlich nicht, aber wir können Sergei Timofejewitsch fragen. Ich hole ihn, er ist drüben auf der anderen Seite des Platzes. Wartet kurz.«
    Starostin lief zum gegenüberliegenden Tor, wo Männer Schnee vom Rasen räumten.
    Angewidert inspizierte Koroljow das Gewirr von Fußstapfen. »Wer weiß, was hier passiert ist. Wenigstens war Larinin so schlau, dass er Fotografien hat machen lassen. Trotzdem hätte ich es lieber selbst gesehen.«
    »Warum?«
    »Weil Blut im Schnee ist, nicht besonders viel zwar, aber das könnte bedeuten, dass der Mann ziemlich bald nach seinem Tod hier abgeworfen wurde oder sogar noch gelebt hat. Wenn er hergebracht wurde, nachdem der Schneefall aufgehört hat, hätte kein Schnee auf der Leiche gelegen, und wenn es noch geschneit hat, als er hier gelandet ist, hätten wir vielleicht anhand der

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