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Russka

Russka

Titel: Russka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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ich abreise, werdet ihr mich von einer anderen Seite kennen.« Er wandte sich um. Er lächelte, als er über den Schnee eine schwarzgekleidete Gestalt herbeieilen sah. »Ach, da kommt er ja«, rief er, »ein treuer Diener. Boris Davidov, du wirst diesen schlauen Mönchen helfen, mich wirklich kennenzulernen.« Dann wandte er sich an den Abt: »Kommt, es wird Zeit für die Vesper.«
    Draußen war es bereits dunkel, als die zitternden Mönche inmitten des Glanzes aller Kerzen, die sie hatten auftreiben können, die Vespergesänge anstimmten. Vor ihnen stand Zar Ivan, angetan mit dem golddurchwirkten Ornat für die höchsten Feiertage, und dirigierte mit seinem Stab. Um seine Lippen lag ein merkwürdig hartes Lächeln.
    Nach dem Gottesdienst zogen sich die Mönche in ihre Zellen zurück, und Ivan begab sich ins Refektorium, wohin er Essen und Getränke für sich, Boris und die übrigen opritschniki bringen ließ. Er schickte auch nach dem Abt und nach Daniel. Voller Furcht kamen sie und mußten neben der Tür stehenbleiben. Daniel erkannte, daß Seltsames im Zaren vorging, als er sich zum Mahle setzte. Da war etwas Drohendes in seinen Augen. Sie waren blutunterlaufen und sahen in die Ferne, so als befinde er sich in einer anderen Welt.
    Man hatte ihm den besten Wein kredenzt und alles Eßbare, was aufzutreiben war. Eine Zeitlang aß und trank er, in Gedanken versunken; die opritschniki neben ihm kosteten alles vor, um sicherzugehen, daß nichts vergiftet war. Die übrigen Schwarzhemden aßen schweigend, auch Boris, der dem Zaren gegenübersaß. Nach einer Weile blickte Ivan auf. »Nun, Abt, du hast mich um mehr als vierzig Hektar guten Landes gebracht«, sagte er gefährlich ruhig. »Du und dieser behaarte Kerl neben dir«, fuhr Ivan fort. »Ihr sollt wissen, daß der Zar gibt und nimmt.« Verächtlich blickte er sie an. »Auf meinem Weg hierher war ich hungrig«, sprach er weiter, »und doch fand ich in den Wäldern kein Wild. Warum nicht?«
    »Es gab wenig Wild diesen Winter. Die Leute haben Hunger…«
    »Ihr bezahlt eine Strafe von hundert Rubel«, sagte Ivan leise. Dann wandte er sich an Boris. »Gibt es denn hier keine Unterhaltung, Boris Davidov?«
    »Da ist ein Bursche mit einem Tanzbären«, meinte Boris zögernd, »aber er ist nicht besonders gut.«
    »Ein Bär?« Die Miene des Zaren hellte sich auf. »Das ist gut. Nimm einen Schlitten und bringe die beiden her, Boris Davidov.« Boris wollte schon gehen, als der Zar rief: »Halt! Nimm zwei Schlitten. Meinen und noch einen. Setze den Bären in meinen Schlitten, ziehe ihm meine Pelze an und setze ihm den Zarenhut auf.« Damit warf Ivan Boris seinen hohen Hut zu. »Der Zar aller Bären statte dem Zaren aller Russen einen Besuch ab.« Er brach in schallendes Gelächter aus, und die opritschniki knallten fröhlich grölend ihre Teller auf den Tisch. »Und nun«, wandte Ivan sich an den Abt, und mit einemmal war alle Heiterkeit aus dem Gesicht des Zaren verschwunden, »sag diesem Gauner neben dir, daß er mir einen Topf voller Flöhe bringen soll.«
    »Flöhe, Herr?« wiederholte der Abt unsicher. »Wir haben keine Flöhe.«
    »Einen Topf mit Flöhen, sage ich!« Der Zar stand plötzlich auf und stieß seinen Stock heftig auf den Boden. »Flöhe!« brüllte er. »Es ist Verrat, den Befehlen des Zaren nicht zu gehorchen. Flöhe! Siebentausend – und keinen weniger!«
    Es gehörte zu Ivans liebsten Praktiken, Unmögliches als selbstverständlich zu verlangen. Der Abt wußte nicht, daß der Zar diesen Befehl schon früher gegeben hatte, und zitterte am ganzen Körper. »Wir besitzen keine, Herr«, sagte nun auch Daniel. Seine Stimme sollte fest klingen, doch er brachte nur ein heiseres Flüstern zuwege.
    »Dann hast du hundert Rubel Strafe zu bezahlen, Bruder Daniel«, antwortete Ivan gelassen.
    Eigentlich wollte Daniel protestieren, doch er erinnerte sich, daß der Zar kürzlich einen Mönch rittlings auf ein Pulverfäßchen hatte binden und dann anzünden lassen. So zog er es vor zu schweigen.
    Zar Ivan ging an den Tisch zurück und bedeutete den beiden Mönchen, auf ihren Plätzen zu bleiben. Ohne sie weiter zu beachten, begann er mit den schwarzgekleideten opritschniki zu scherzen. Eine halbe Stunde verstrich. Der Zar trank stetig, blieb jedoch offenbar Herr seiner Sinne. »Bringt mehr Kerzen«, befahl er. Er mißtraute der Dunkelheit.
    Aus der Kirche wurden Kerzenständer gebracht und in den Ecken aufgestellt. In diesem Augenblick meldete einer der opritschniki

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