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Russka

Russka

Titel: Russka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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die Ankunft des Bären. Alle drängten zur Tür, voran der Zar. Es war ein grotesker Anblick. Vier Männer mit brennenden Fackeln eilten dem Schlitten voraus, in dem der Bär saß – angetan mit dem herrlichen Zobelmantel, auf dem Kopf den Zarenhut. Um seinen Hals hatte Boris ein goldenes Kreuz aus der Kapelle gehängt. Der verängstigte Michail brachte den Bären dazu, auf den Hinterbeinen ins Refektorium zu tapsen.
    »Verneigt euch!« schrie Ivan die Mönche an. »Verneigt euch vor dem Zaren aller Bären!« Er führte den Bären eigenhändig zu seinem Stuhl und brachte das Tier dazu, sich zu setzen. Dann mußten sich alle, auch der Abt, in einer lächerlichen Zeremonie vor dem Bären verneigen, ehe man ihm Mantel und Hut abnahm. »Komm jetzt, Bauer«, sagte der Zar schroff zu Michail, »er soll seine Kunststücke vorführen.«
    Das Repertoire des Bären war nicht gerade umfangreich: Das magere Tier richtete sich auf, machte ein paar plumpe Tanzschritte, schlug die Tatzen gegeneinander. Nach kurzer Zeit wurde Ivan der traurige Anblick langweilig, und er schickte Michail und das Tier in die Ecke.
    Draußen wurde es dunkler. Vereinzelt glitzerten ein paar Sterne. Drinnen saß Ivan in Gedanken versunken und gab Boris von Zeit zu Zeit ein Zeichen, ihre beiden Pokale mit Wein zu füllen. »Es heißt, ich trete zurück und werde Mönch. Hast du davon gehört?«
    »Ja, Herr. Deine Feinde behaupten das.«
    Ivan nickte langsam. »Jenen, die Gott ausersehen hat, über Menschen zu herrschen, ist keine Freiheit gegeben, sondern eine schreckliche Bürde. Sie leben nicht in einem Palast, sondern in einem Gefängnis. Kein Herrscher ist sicher, Boris Davidov. Vielleicht ist das Leben eines Mönchs besser.« Auch Boris hatte reichlich getrunken. Sein Kopf war noch klar, aber er fühlte sentimentale Traurigkeit in sich aufsteigen, während er in die zwiespältige Welt des verehrten Herrschers eintauchte. Auch er wußte auf seine schlichte Art, was es heißt, von Angst vor Verrat und nächtlichen Alpträumen geplagt zu werden. Sie werden ihn töten, dachte er, wenn er sie nicht zuerst tötet. Wie gern hätte er seine heimlichen Ängste mit dieser mächtigen Persönlichkeit geteilt, die in die Herzen der Menschen sah und ihm nun wieder tiefstes Vertrauen zeigte.
    »Sag mir, Boris Davidov, was sollen wir mit diesem Spitzbuben von Priester anfangen, der dem Zaren Land gestohlen hat?« fragte Ivan schließlich.
    Boris überlegte. Er fühlte keine Zuneigung zu Daniel, und doch mußte er eine kluge Antwort geben. »Er ist nützlich«, meinte er zögernd, »er liebt das Geld.«
    »Das ist eine gute Antwort.« Ivan lächelte grimmig. »Prügeln wir ein bißchen Geld aus ihm heraus.« Er winkte zwei opritschniki herbei und flüsterte ihnen Anweisungen zu. Sie schleppten Daniel eilig hinaus.
    Boris wußte, was nun folgen würde. Daniel wurde aufgehängt, wahrscheinlich mit dem Kopf nach unten, und so lange geschlagen, bis er verriet, wo das Geld des Klosters versteckt war. Boris fühlte kein Mitleid.
    Damit hatte der lange Abend des Zaren eigentlich erst begonnen. Boris sah am leichten Zucken von Ivans linkem Auge, was jetzt kommen würde. Einer der opritschniki hatte ihm verraten: Wenn dieses Auge zuckte, gelüstete es den Zaren zu strafen. »Sag mir, Boris Davidov«, sagte er mit weichem Tonfall, »wem von diesen ist nicht zu trauen?« Boris schwieg.
    »Denk an deinen Eid«, murmelte Ivan. »Du hast geschworen, deinem Zaren alles zu erzählen, was du weißt.«
    »Es heißt, es gebe einen, der sich der Ketzerei schuldig macht«, sagte Boris.
    Stefan war höchst erstaunt, als die vier opritschniki in seine Zelle einbrachen.
    Sie leisteten gründliche Arbeit. Durch lange Praxis geübt, durchwühlten sie systematisch den Kasten, der seine wenige Habe enthielt; sie untersuchten die Wände, und einer entdeckte zwischen den dicken Bohlen das, wonach sie suchten – das Pamphlet. Seltsam, Stefan hatte das englische Traktat fast vergessen, hatte seit Monaten nicht hineingesehen. Er hätte behaupten können, es nicht zu kennen, aber an dem Tag, als Wilson es ihm gegeben hatte, hatte er die Übersetzung des Engländers am Rand notiert, um den Wortlaut nicht zu vergessen.
    Sie schleppten Stefan ins Refektorium und zeigten dem Zaren das Papier. Ivan las es Wort für Wort vor. Von Zeit zu Zeit hielt er inne und wies Stefan auf die Schwere der Ketzerei hin, die er mit eigener Hand geschrieben hatte.
    Wenn er auch einige Protestanten wie die englischen

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