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Russka

Russka

Titel: Russka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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weil er einen silberbeschlagenen Wagen hat und die Steuern auf Brot und Salz kräftig erhöht hat, aber er ist mächtig. Seine Frau und die Gemahlin des Zaren sind Schwestern, und ihre Familie, die Miloslavskijs, haben einen Großteil des Hofes unter ihren Einfluß gebracht.«
    »Aber wir haben den Zaren schon früher um Schutz gebeten, und nichts ist geschehen«, sagte Andrej.
    »Das mag sein, aber die Dinge haben sich geändert. Als Ihr Eure erste Bittschrift gesandt habt, traf sie mitten in einem Volksaufstand ein. Die Vorstädte standen großenteils in Flammen, und Morozov hätte beinahe sein Leben verloren. Moskau war noch nicht in der Lage, eine Verpflichtung einzugehen, die das Risiko eines Krieges mit Polen einschloß. Aber jetzt sind wir stärker, und der Zar hat alles fest in der Hand.«
    »Was ist mit der Kirche?« fragte Andrej.
    »Die Kirche will Einheit. Ihr wißt, daß der Patriarch von Jerusalem selbst nach Moskau kam, um Euren Fall vorzutragen. Und wir schätzen bereits Eure ukrainischen Gelehrten; doch Euer bester und mächtigster Freund ist der neue Patriarch von Moskau.« Nikita senkte die Stimme respektvoll: »Patriarch Nikon.« Es war Andrej aufgefallen, daß die Leute bereits mit Ehrfurcht von diesem Patriarchen sprachen, obwohl er erst seit einem Jahr im Amt war.
    »Es heißt, er sei vielleicht ein neuer Filaret«, fuhr Nikita fort. Als nämlich vierzig Jahre zuvor der liebenswerte Michail Romanov vom zemskijsoborzum. ersten Zaren der neuen Dynastie gewählt worden war, hatte der gestrenge Patriarch Filaret praktisch den Staat für ihn regiert. Konnte denn dieser neue Patriarch, der, wie Andrej wußte, bescheidener Herkunft war, wirklich so mächtig sein? »Wartet, bis Ihr ihn seht«, meinte Nikita nur. Nikons Ambitionen waren scheinbar schlicht. Er wollte, daß Moskau als den fünf Patriarchaten der orthodoxen Kirche ebenbürtig, wenn nicht sogar als höchstes anerkannt würde. Auch brauchten sie mehr Heilige. Erst ein Jahr zuvor war der Leichnam des Metropoliten Filipp, den Ivan der Schreckliche hatte ermorden lassen, feierlich nach Moskau zurückgebracht worden und wurde nun in der Kremlkirche verehrt. Nikon wußte auch, daß die russische Kirche rückständig, ihre Texte verfälscht, ihre Gelehrsamkeit gering war. Er wollte dies alles ändern und, zusammen mit der Ukraine, das alte Land der Rus zu einem mächtigen Bollwerk gegen die katholische Religion und die übrigen Religionen des Westens machen.
    »Gibt es eine Opposition dagegen?«
    »Eine kleine Gruppe älterer Glaubenseiferer ist nicht damit einverstanden. Sie lehnen jede Veränderung ab.« Nikita lachte. »Aber Nikon ist sehr mächtig, und er wird mit jeder Opposition kurzen Prozeß machen. Und dann wird Moskau wirklich das Dritte Rom«, fügte er begeistert hinzu.
    Sie wurden kurz unterbrochen, als die ältere der beiden Frauen hereinkam und wortlos das Essen auf den Tisch stellte. Es war ein bescheidenes Mahl: Fisch, verschiedene Gemüse, eine Art Pfefferkuchen, den sie wegen der Fastenzeit ohne Eier oder Milch zubereitet hatte. Als Getränk gestattete Nikita sich Wodka, nun das bevorzugte Getränk der oberen Schicht in Nordrußland. Sie setzten sich an den Tisch. Sogleich goß Nikita jedem von ihnen reichlich Wodka ein. Und auf Andrejs Bitte erzählte er von sich. »Ich bin ein kleiner Landbesitzer«, begann Nikita. »Mein Familie gehörte dem Dienstadel lange Zeit an; man nannte uns Bojarenkinder. Unser kleiner Besitz liegt in der Gegend von Vladimir. Aber ich hoffe nach oben zu kommen.« Der nächste Schritt werde hoffentlich die Zugehörigkeit zu der ausgesuchten, sogenannten Moskauer Aristokratie sein, die Ivan der Schreckliche mit seinen tausend ausgewählten Gefolgsleuten begründet hatte. »Und wer weiß, was dann kommt? Leute wie ich sind schon Bojaren geworden – der höchste Rang überhaupt. Da meine Mutter mich Polnisch gelehrt hat, wurde ich für diese Aufgabe in meiner Abteilung bestimmt«, fügte er hinzu. »Wir sind speziell für die Angelegenheiten der Kosaken zuständig.«
    Andrej wußte, daß das Zentralamt der Regierung, der prikaz, eine Behörde war, in der man im Dienste des Zaren vorwärtskommen konnte, und er wollte noch mehr darüber erfahren. Doch was er nun zu hören bekam, verwirrte ihn mehr und mehr. Offenbar hatte Nikitas prikaz neben den KosakenAngelegenheiten auch mit der Honigproduktion, den Falken des Zaren und verschiedenen anderen Aufgaben zu tun.
    »Alle prikaz in Moskau sind gleich«,

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