Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Russka

Russka

Titel: Russka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
zuging, blickte Alexander Bobrov mit einer gewissen Zuversicht in eine angenehme Zukunft. Es waren zwar noch einige Hindernisse zu überwinden, doch er hatte seine persönliche Kampagne sorgfältig vorbereitet. Das Mädchen war jetzt fünfzehn Jahre alt und bereits eine blendend aussehende junge Dame. Bald wäre seine Zeit gekommen.
    Alexander war zweiundzwanzig. Er war überdurchschnittlich groß, von kräftiger Statur und besaß das gute Aussehen seines Großvaters, allerdings war Alexej glatt rasiert.
    Er war sich seiner Attraktivität bewußt, war jedoch nicht unbedingt eitel. Als letzter Repräsentant einer Adelsfamilie und, trotz der liberalen Einstellung seines Vaters, als Repräsentant einer Ordnung, die dazu diente, den Zaren zu schützen und zu erhalten, sah er es vielmehr als seine Pflicht an, gut auszusehen. Neben sorgfältiger Kleidung war ihm eine militärisch straffe Haltung wichtig. Außerdem ließ er sich, soweit er sich das leisten konnte, an den passenden Orten blicken. Für seine Lebensstellung brauchte er nur zwei Dinge anzustreben: einmal eine Anstellung bei Hofe, zum zweiten die Heirat mit der Erbin Nadeschda Suvorin.
    Wenn er an Rußlands Zukunft dachte, hatte Alexander ebenfalls Grund zur Hoffnung. Die dritte Duma hatte ihre ganze Fünf-Jahres-Periode bis zum vergangenen Jahr überstanden, und nun tagte eine neue, die vierte Duma.
    Dem Zaren war es gelungen, das konservative Element leicht zu stärken, obwohl sich die Radikalen auf Kosten des Zentrums ebenfalls gesteigert hatten. Im ganzen gesehen, war der neue Staatskörper nicht schlechter als der vergangene. Alexejs unermüdlicher Vater hatte sich wieder wählen lassen. Und, das mußte gesagt werden, die Verhältnisse auf dem Lande waren insgesamt erfreulich.
    »Stolypin ist nicht mehr, und an seiner Stelle sitzen Nullen«, erläuterte Nikolaj Bobrov seinem Sohn. »Doch sein Werk lebt fort. Sieh dir die Resultate an.« Dann zählte er sie begeistert an seinen Fingern ab. »Der Handel vervielfacht, ebenso die landwirtschaftlichen Erträge, außerdem haben wir 1911 dreizehneinhalb Millionen Tonnen Getreide exportiert. Die Staatsschulden sind gering. In drei von vier Jahren haben wir Etatüberschüsse erzielt. Auf dem Lande herrscht Ruhe.« Er lächelte zufrieden. Von Revolution war kaum etwas zu hören in jenen Jahren. »Mit ein bißchen Glück haben wir sie vielleicht abgewendet«, beliebte der ältere Bobrov zu sagen. Tatsächlich gab es nur Wolken am ausländischen Horizont, doch weder die beiden Bobrovs noch einer ihrer Bekannten waren sonderlich beunruhigt. »Die Diplomaten werden die Schwierigkeiten aus der Welt schaffen«, meinte Nikolaj zu seinem Sohn, »dafür haben wir die Allianzen.«
    Das weitgespannte Netz der Allianzen sprach eigentlich zugunsten Rußlands. Die Notwendigkeit einer kräftigen Anleihe beim Geldgeber Frankreich und eine bessere Verständigung mit England hatte Rußland mit diesen beiden Nationen zum sogenannten Dreierbündnis zusammengefügt. Deutschland, Österreich und Italien bildeten auf der anderen Seite die Dreierallianz. »Sie halten sich gegenseitig die Waage«, erläuterte Nikolaj des öfteren.
    Nur aus der gebirgigen Balkanregion nördlich von Griechenland kamen Anzeichen wirklicher Gefahr. Hier war durch den endgültigen Zerfall des nahezu erloschenen osmanischen Reiches Österreich im Vormarsch. 1908 hatte es die beiden überwiegend von slawischen Serben bewohnten Regionen Bosnien und Herzegovina genommen. Die übrigen Serben fühlten sich bedroht; Rußland, auf seiten seiner Slavenbrüder – außerdem hatte es ein Auge auf diese Region in der Nähe Konstantinopels und des Schwarzen Meeres –, überwachte jede Entwicklung sorgfältig. »Das wird alles geregelt«, sagte Nikolaj voraus. »Niemand hat Interesse, einen Krieg anzufangen.« Nur wenige europäische Staatsmänner hätten ihm hierin widersprochen.
    Tatsächlich hatte in den vergangenen fünf Jahren nur ein eher privates Problem Alexanders heitere Welt überschattet und ihm Kopfzerbrechen verursacht: Jevgenij Popov. Was sollte mit ihm geschehen? Alexander war sich durchaus im klaren darüber, daß Frau Suvorins Affären ihn nichts angingen; sein Haß auf Popov war jedoch so groß, seine Achtung vor Vladimir so gewaltig, daß Popovs Liaison ihn in Gedanken quälte. Seit jener nebligen Nacht, als er den Bolscheviken in Suvorins Haus schleichen sah, fühlte er sich persönlich verletzt.
    Er hatte es sich angewöhnt, spätabends durch jene Gegend

Weitere Kostenlose Bücher