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Russka

Russka

Titel: Russka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Jüngeren des öfteren, daß er sich die Zeit nehmen solle, seine Besitzungen in Russka zu inspizieren.
    Im Frühsommer zog Fürst Vladimir nach Westen, um den Polen in einem Feldzug gegen die Tschechen beizustehen. Erblieb etwa vier Monate in Böhmen und nahm Svjatopolk mit. Berichte über die Tapferkeit seines älteren Bruders erreichten Ivan in Perejaslavl. Während dieser Monate sah er das Mädchen selten. Sie verbrachte die meiste Zeit mit ihrer Herrin, die schwanger war. Die Arbeit in Russka ging rasch voran. Den Sommer hindurch kümmerten sich Herr und Bauer um den kostbaren Honigwald, der nun tausend Bäume umfaßte: einhundert Eichen und neunhundert Kiefern. Sie beherbergten weit über hundert Völker. Er errichtete auch ein solides Lagerhaus in Russka für das Bienenwachs.
    Schtschek hatte nun zwei Männer, die ihn bei dieser Arbeit unterstützten.
    Ivanuschka war überzeugt, daß der Wald ihm leicht das nötige Einkommen verschaffen werde. Wie aber stand das Mädchen zu ihm? Ob er sie wohl gewinnen konnte? Er hatte bei Hof mehrmals ein paar Worte mit ihr gewechselt, und es sah so aus, als habe sie ihn gern. Allerdings gab es viele Freier, einschließlich Svjatopolk, die viel besser zu ihr paßten als er.
    Die Ernte war gut dieses Jahr, der Honigertrag außergewöhnlich hoch. Ivanuschkas Einkommen war gesichert. Im Herbst hatte er öfter die Möglichkeit, mit dem angelsächsischen Mädchen zu sprechen. Doch als Weihnachten näher rückte, wußte er immer noch nicht, wie es um sie beide stand.
    Am bezeichneten Tag schließlich hielten vier Bewerber bei Vladimir Monomach um die Hand des Mädchens an. Zwei davon waren Igors Söhne.
    Der Hof war überrascht von Ivanuschkas Glück. »Während sein Bruder kämpft, sammelt der schlaue Bursch Honig«, spöttelte einer.
    Aber Ivan hatte tatsächlich die Bedingungen des Fürsten erfüllt. Und als Emma, nachdem sie allen vier Männern höflich für die ihr zuteil gewordene Ehre gedankt hatte, dem Fürsten zuflüsterte, sie habe sich für Ivanuschka entschieden, hielt der sich für den glücklichsten Menschen der Welt.
    Der Fürst fühlte sich aus Loyalität gegenüber Svjatopolk verpflichtet, zu sagen: »Sein älterer Bruder ist einer meiner besten Männer, weißt du das? Von Ivanuschka dagegen heißt es, er sei ein Narr.«
    »Ich weiß«, antwortete sie lächelnd, »aber ich glaube, daß er ein warmes Herz hat.«
    Am nächsten Tag wurde Ivanuschka, Igors Sohn, und die Tochter des angelsächsischen Edelmannes miteinander vermählt. Vladimir richtete ein prunkvolles Fest aus. Eine fröhliche Gesellschaft überschüttete das Paar mit Hopfenblüten, als sie sich zurückzogen. Falls Svjatopolk gegen seinen Bruder noch etwas im Sinn haben sollte, verbarg er es hinter einer würdigen Maske.
    Am 27. Dezember starb der Fürst von Kiev, und Vsevolod von Perejaslavl übernahm Kiev. Für Vladimir Monomach bedeuteten diese Ereignisse, daß er an seines Vaters Statt Herr über Perejaslavl wurde. Damit hatten Svjatopolk und Ivanuschka einen reicheren Herrn. Die Freude bei Hof erreichte ihren Höhepunkt, als Gytha einen Sohn zur Welt brachte.
    Für Ivanuschka jedoch war all dies von geringer Bedeutung. Er war verheiratet. Und er fühlte eine ihm bisher unbekannte Freude, die mitunter so groß war, daß er es beim Anblick der wundervollen schmalen Gestalt seiner Frau kaum fassen konnte, daß ihm diese Quelle des Glücks nicht versagt war. Endlich hatte Ivanuschka jenes Glück, jene Vollkommenheit gefunden, wonach er so lange gesucht hatte.
    »Als Junge wollte ich immer an den großen Don reiten«, erzählte er Emma. »Jetzt aber bin ich lieber bei dir. Du bist alles, was ich mir wünsche.«
    Sie fragte ihn lächelnd: »Weißt du das ganz genau, Ivanuschka? Genüge ich allein dir wirklich?« Er sah sie überrascht an. Natürlich war es so! Im März sagte sie ihm, daß sie schwanger sei. Was sonst kann ich mir noch wünschen? dachte Ivan zufrieden. Alles, das wurde Ivanuschka plötzlich klar, hatte seinen Sinn. Die reiche schwarze Erde, so fruchtbar, daß die Bauern in Russka sie kaum zu pflügen brauchten; die Festung mit ihren soliden Holzwänden; die unterirdische Welt, die die Mönche wie Vater Lukas sich als Ort zum Leben und auch zum Sterben gewählt hatten. Warum das so war, wußte er nicht, doch alles hatte seinen Sinn. So auch der verschlungene Pfad seines eigenen wirren Lebens, dachte er. Vater Lukas hatte dies Jahre zuvor wohl schon vorausgesehen, als er sagte, daß jeder

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