Ruth
genug, daß er am Leben und frei war.
„Schmiede Schwerter für uns,
Machlon“, sagte Zebuschar trocken, „und du wirst Gnade in den Augen von Prinz
Hedak finden, der über mein Heer befiehlt. Aber glaube nicht, daß Kamosch dir
das Recht gegeben hat, unter meinem Volk falsche Lehren zu verbreiten, nur weil
er dir gestattet, deinen Gott ungehindert anzubeten. Bekehre nur einen einzigen
Moabiter zu deinem Glauben, und die Gunst des Kamosch wird dir entzogen.“
„Ich verstehe, König“, sagte
Machlon ruhig. „Wir werden uns entsprechend verhalten.“
Zebuschar wandte sich an Hedak.
„Sieh zu, daß die Familie Machlons ausreichend Nahrung und Kleidung erhält“,
ordnete er an. „Außerdem Eisen für ihre Schmiede.“
Als er den Tempel verließ,
hörte Machlon, wie ihn jemand rief.
Er drehte sich um und sah Ruth
die Treppe heruntereilen. Sie nahm ihn beim Arm und zog ihn um die Ecke des
Gebäudes, wo sich ein kleiner Garten befand.
„Der Gott hat dich errettet“,
sagte sie atemlos. „Aber du hast dir in Prinz Hedak einen erbitterten Feind
gemacht.“
„Ohne deine Hilfe hätte Kamosch
nie die Gelegenheit gehabt, zu meinen Gunsten zu sprechen“, sagte Machlon mit
Wärme.
Ruth schüttelte den Kopf. „Es
war die Art, in der du dich verteidigt hast, und die Härte deines Schwertes,
die dem Gott gefielen. Aber Prinz Hedak haßt dich jetzt. Sei deshalb vorsichtig
bei allem, ‘ was du tust.“
„Ich werde bei meinem
Schmiedefeuer bleiben, wo ich niemanden beleidigen kann“, versprach Machlon.
„Wirst du uns dort einmal besuchen?“
„Du stehst offensichtlich in
der Gunst des Gottes von Moab und seines Sohnes, unseres Königs“, sagte Ruth
bescheiden. „Als ihre Dienerin kann ich nicht gegen ihren Willen handeln.“
„Dann werde ich dich bald
wiedersehen?“ fragte er eifrig. „Vielleicht spricht Kamosch erneut“, antwortete
sie. „Wir können nur warten.“
9
Nicht nur um Holz zu sammeln,
stieg Machlon ein paar Tage später am Nachmittag von der Höhle aus den Hügel
weiter hinauf. Er benutzte diese Arbeit als Vorwand. Mehr als alles andere
brauchte er Zeit, um darüber nachzudenken, was im Tempel des Kamosch geschehen
war, als ihn scheinbar die Gunst eines heidnischen Götzen vom Tode errettete.
Sicher, dachte er, hatte der Allerhöchste eingegriffen, um ihn zu retten. Und
das konnte nur bedeuten, daß Gott seine Arbeit mit Wohlgefallen betrachtete,
obwohl er nun gezwungen war, für die Moabiter Schwerter zu schmieden, die eines
Tages gegen das Volk Israel eingesetzt werden könnten.
Die Wege des Herrn der
Heerscharen waren, wie er wußte, unerforschlich. An den Lagerfeuern Israels
erzählte man Geschichten, wie der Herr immer wieder auf Umwegen vorgegangen
war, um zu vollenden, was für das Volk, das er als sein eigenes von allen
Völkern der Erde auserwählt hatte, das Beste war. Aber, so fragte sich Machlon,
konnte die Gunst Gottes sich auch auf das Mädchen Ruth erstrecken, das seit
jener Nacht an der Zufluchtsstätte nicht mehr aus seinen Gedanken wich? Die
Gesetze Israels verboten die Ehe zwischen Israeliten und Frauen anderer Länder,
aber diese Vorschriften waren schon mehr als einmal gelockert worden, wenn es
unter den Frauen Israels nicht genug heiratsfähige Mädchen gegeben hatte.
Machlon wußte, daß sein Freund
Boas ihm vorwerfen würde, er habe sich von dem Mädchen behexen lassen und werde
zum Verräter an seinem Volk, wenn er den Moabitern Waffen in die Hände gebe,
durch die sie den Kriegern Judas und der anderen Stämme Israels mit ihren
Lanzen und Dolchen weit überlegen würden. Aber Boas war ein Mann von
unbeugsamer Geradheit und großer Leidenschaftlichkeit. Im Rat Israels kämpfte
er erbittert darum, die alten Männer davon zu überzeugen, daß sie mit den bewaffneten
Heeren Moabs an ihren Grenzen nicht in Frieden leben könnten, daß sie sich
etwas vormachten, wenn sie glaubten, der Zustand bewaffneter Neutralität, der
zwischen den beiden Ländern herrschte, könnte noch lange andauern.
Boas hatte bei mehr als einer Gelegenheit
mit Hedak gekämpft, und er kannte den gewaltigen Ehrgeiz und die Habgier des
Mannes, der nach Zebuschar in Moab herrschte. Deshalb hörte Boas nie auf, darum
zu kämpfen, daß die israelitischen Stämme sich selbst mit Schwertern bewaffnen
und ihre jungen Männer in jeder Waffenart und Kampfweise ausbilden sollten für
den Zeitpunkt, zu dem die Moabiter es wagen würden, sie anzugreifen.
Da er nun Heschbon,
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