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Ruth

Ruth

Titel: Ruth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank G. Slaughter
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ihr Verhalten dem Gast gegenüber immer offener
geringschätzig. Der König schien bereits betrunken zu sein, ab und zu mußte der
hinter ihm stehende Sklave den Weinbecher aufheben, wenn er aus seinen
unsicheren Fingern geglitten war.
    Hedak war es, der an diesem
Abend den eigentlichen Anlaß des Festmahls erwähnte, als er den Trinkspruch
ausbrachte:
    „Laßt uns auf den Frieden
zwischen Moab und Israel trinken! Und auf unseren erlauchten Gast, Boas.“
    Alle Becher wurden erhoben, und
Zebuschar erwachte lange genug, um murmeln zu können: „Mögen wir eine
gemeinsame Lösung finden, wenn wir am morgigen Tage vom Frieden sprechen.“
    „Auf den Frieden!“ rief Machlon
aus und erhob seinen Becher.
    „Auf den Frieden!“ stimmte Boas
bei.
    Von ihren Plätzen aus schlossen
sich Nebo und Hedak an. Aber in ihrer Begeisterung lag ein so falscher Ton, daß
Boas sie einen Augenblick lang scharf ansah. „Auf den Frieden!“ riefen sie laut
im Chor.
    Zebuschar war im Verlauf des
Abends immer abwesender geworden. Er hatte sich zwar bis zum Ende des Festes
aufrecht halten können, doch jetzt fiel ihm der Kopf auf die Brust.
    Hedak warf seinem Herrscher
einen forschenden Blick zu, dann stand er auf und erhob seinen Becher noch
einmal: „Auf den Gast.“ Das war der übliche Trinkspruch am Ende eines
Festmahls. „Und auf Israel.“
    Sie tranken, aber als der König
nicht reagierte, bemerkte Hedak mit einem Lächeln: „Der göttliche Sohn des
Kamosch hat zu viel Wein zu sich genommen. Überlassen wir ihn seinem
Schlummer.“
    An der Tür blieb Machlon stehen
und blickte zurück auf den König. Zebuschar war im Stuhl zusammengesunken, und
der hinter ihm stehende Sklave hielt ihn an den Schultern fest, damit sein
Körper nicht zu Boden fiel.
    „Der König!“ rief Machlon.
„Etwas kann mit ihm nicht in Ordnung sein.“
    Hedak und Nebo lachten. „Selbst
Könige können nicht das trinken, was er heute zu sich genommen hat, und bei
Verstand bleiben.“
    „Sollten wir ihn nicht in seine
Gemächer bringen?“ fragte Machlon.
    „Nebo wird sich darum kümmern.“
Hedak wandte sich seinem Gast zu. „Ich möchte mich für unseren Herrn
entschuldigen, Boas. Sein ehrlicher Wunsch nach Frieden scheint heute abend
sein Urteilsvermögen übermannt zu haben.“
    Boas blickte dem moabitischen
Feldherrn in die Augen. „Es war ein langer Abend“, stimmte er bei. „Du
entschuldigst, wenn ich mich zur Ruhe begebe?“
    „Natürlich.“ Hedak verbeugte
sich mit übertriebener Höflichkeit. „Wir treffen uns morgen zur Beratung.“
    Als Boas und Machlon durch die
Straßen zur Schmiede gingen, schritt Boas so rasch aus, daß selbst der große
schlanke Schwertschmied kaum mithalten konnte. Machlon äußerte sich begeistert
über das verschwenderische Fest und die freundliche Atmosphäre, in der es
stattgefunden hatte. Allerdings habe er Zebuschar noch nie so gesehen, gestand
er. „Er ist gewöhnlich nicht so unhöflich, einen Gast nicht zu verabschieden.“
    Boas schwieg und zog den
verblüfften Machlon weiter. Sie erreichten Machlons Haus, und Boas trat sofort
in den erleuchteten Vorraum ein, während Machlon noch einen Augenblick im Hof
stehenblieb, um den Eisenvorrat für den nächsten Tag zu überprüfen. Ruth trat
Boas aus den hinteren Räumen des Hauses entgegen.
    „Schalom, Boas“, empfing sie
ihn höflich mit dem Gruß der Israeliten. „Willkommen in diesem Haus.“
    „Friede sei mit der Frau
Machlons, des Sohnes des Elimelech, des Gerechten.“ Boas’ Ton war kurz,
gehetzt, und Ruth schaute ihn überrascht an.
    „Erinnerst du dich nicht an
mich? An der Zufluchtsstätte...“
    „Ich erinnere mich — aber jetzt
ist nicht die Zeit für Erinnerungen.“
    „Aber Boas, was hast du?“
fragte Machlon, der inzwischen nachgekommen war.
    „Ich habe genauer gesehen als
du, Machlon. Der König war nicht betrunken, er war tot! Wie und woran immer er
gestorben sein mag — die Friedensgespräche haben sich damit erübrigt. Und da
ich beim Mahl neben ihm gesessen bin, kannst du sicher sein, daß...“
    „...daß man versuchen wird, dir
die Schuld an seinem Tod in die Schuhe zu schieben“, führte Machlon den
Gedanken erschrocken zu Ende. „Also war es doch eine Falle!“
    „Boas muß sofort aus der
Stadt“, warf Ruth erregt ein.
    „Aber die Tore sind geschlossen
und die Wachen möglicherweise schon gewarnt“, gab Machlon zu bedenken.
    „Es gibt nur einen Weg... Ruf
Kiljon, und versucht, Hedak oder Nebo so lang wie möglich

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