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Ruth

Ruth

Titel: Ruth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank G. Slaughter
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hinzuhalten, falls
sie nach Boas suchen sollten!“ Ruth wandte sich zu Boas: „Rasch — vielleicht
bleibt uns noch genügend Zeit!“
    „Warum tust du das Ruth?“
fragte Boas. „Was mir zustößt, ist nicht deine Sache.“
    „Ich bin Machlons Frau“,
entgegnete sie. „Er hat sich für deine Sicherheit verbürgt, und darum ist es
meine Pflicht, dich zu retten, wenn ich es kann.“
    Die Freunde umarmten sich zum
Abschied. Dann zog Ruth Boas fort. Sie wagten nicht, den Hof gemeinsam zu
verlassen. Ruth schlüpfte durch das Tor. Boas lief mit großen Sprüngen auf
einen Baum zu, der die Mauer überragte. Schnell zog er sich an seinen Zweigen
empor, und nur ein schwacher, dumpfer Laut war zu hören, als er jenseits der
Mauer auf einem Rasenstreifen landete.
    Ruth holte ihn dort ein. „Wir
müssen in den Tempelgarten und von dort zur Stadtmauer.“
    Durch abgelegene, dunkle Gassen
schlichen sie auf Umwegen zum Tempel des Kamosch. Als sie seine Rückseite
erreichten, hörte Ruth Männerstimmen und zog Boas gegen die Mauer. „Die
Tempelwächter“, flüsterte sie.
    Eng an die Mauer gepreßt, wären
sie vielleicht unbemerkt geblieben, wenn nicht einer der beiden Wachposten
zufällig den Kopf gewandt hätte. „Bei Kamosch!“ sagte er. „Was wollte ihr
beiden hier?“
    „Wir suchen nur einen stillen
Winkel“, antwortete Ruth mit verstellter Stimme, als ob sie betrunken wäre.
    „Schade, daß die schon einen
Liebhaber hat“, lachten die beiden Soldaten und setzten ihren Rundgang fort.
    Ruth atmete tief auf. „Einen
Augenblick lang dachte ich, wir wären verloren.“
    „Der Herr führte sie in eine
andere Richtung“, erwiderte Boas voll Vertrauen. „Er hat nicht bestimmt, daß
ich in Moab sterben soll.“
    „Wir müssen weiter“, drängte
Ruth. „Der Tempelgarten grenzt an die Stadtmauer. Dort gibt es ein geheimes
Tor, das nur die Priester und Tempeldiener kennen.“
    Sie erreichten die Gartenpforte
und durchquerten ungehindert den dunklen, menschenleeren Garten, bis die
Stadtmauer vor ihnen aufragte. Am Ende eines schmalen Pfades blieb Ruth vor der
geheimen Tür stehen, die so geschickt in das Mauerwerk eingefügt worden war,
daß sie wie ein Teil der Mauer selbst wirkte. Es gab keinen Griff und kein
Schloß.
    Ruth stellte sich auf die Zehen
und griff nach einer kleinen Statue Kamoschs, die in einer Nische angebracht
war. Sie versuchte sie zu drehen, aber die Statue rührte sich nicht.
    „Laß mich helfen!“ Boas umfaßte
die Figur. „In welche Richtung?“
    „Von der Tür weg!“ sagte Ruth.
Er versuchte es mit aller Kraft. Einen Augenblick lang geschah nichts, dann
fing die schwere Tür an, sich langsam zu bewegen.
    Boas stand in der Öffnung.
„Gott hat mich befreit“, sagte er still. „Mit deiner Hilfe. Und du hast dein
Leben für mich gewagt, Ruth.“
    „Möge der Allerhöchste dich
deinem Volk wiedergeben, Boas“, wünschte Ruth. „Ich muß zurück, ehe sie
argwöhnen, daß du entkommen bist.“
    Er zögerte noch einen letzten
Augenblick. „Wird Hedak...?“
    „Er wird uns nichts nachweisen
können“, beruhigte ihn Ruth. „Außerdem ist Machlons Kunst für ihn zu wichtig,
und auch gegen mich wird er nichts unternehmen, da er die Gunst der
edomitischen Stämme nicht verlieren will, unter denen meine Familie großen Einfluß
besitzt.“
    Als Boas’ hohe Gestalt in der
Dunkelheit verschwand, schloß Ruth das Tor und ging durch den Tempelgarten
zurück. Sie fühlte plötzlich eine große Besorgnis in sich aufsteigen — als ob
bis jetzt alles zu leicht gegangen wäre. Sie hatte den Garten noch nicht
verlassen, als sie das Lärmen von Stimmen hörte und Fackelschein über die Mauer
fiel. Erschrocken verbarg sie sich im dunklen Gebüsch.
     
     
     

6
     
     
    Nachdem Ruth und Boas das Haus
verlassen hatten, ging Machlon zu einem kleinen Vorratsgebäude an der Hofmauer.
Im Innern standen Regale mit vor kurzem gefertigten Schwertern, die im
Mondlicht wie Silber glänzten. Er wählte zwei aus und verbarg sie unter seinem
Gewand. Dann ging er mit vorsichtigen Schritten ins Haus zurück und weckte
Kiljon, der ahnungslos und schlaftrunken aus seiner und Orpas Kammer trat.
    Machlon klärte ihn in aller
Eile über Boas’ Befürchtungen und Flucht auf, dann saßen beide in dem Raum, in
dem Boas und Machlon am Nachmittag miteinander gesprochen hatten, und warteten,
daß geschehen würde, was — wenn Boas’ Vermutungen zutrafen — geschehen mußte.
Daß in all dem eine gewisse Logik liegen

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