Ruth
konnte, war nur allzu klar: Wenn
Zebuschar vergiftet worden war, so konnte nur Hedak davon gewinnen — also war
er wohl auch der Anstifter oder Täter. Nach Zebuschars Tod würde dessen
unmündiger Sohn Akton König, und Hedak wäre es ein leichtes, den Knaben unter
seinen Einfluß zu bringen und so der eigentliche und einzige Herrscher über
Moab zu sein. Damit waren auch die Friedenspläne mit Israel endgültig zunichte.
Und wenn es Hedak gar noch gelang, Boas des Mordes an Zebuschar zu
verdächtigen, so würde der Haß gegen Israel Wogen schlagen und das Volk selbst
den Krieg fordern. Boas war zumindest als Unterhändler ausgeschaltet, wenn ihm
die Flucht gelang. Wenn nicht... über Hedaks Grausamkeit konnte sich niemand
Täuschungen hingeben. In diesem schlimmsten Fall wäre Israel der Mann genommen,
der es allein noch hätte schützen können.
Machlon starrte wie gelähmt auf
den Boden. „Also hat Hedak mich wirklich hereingelegt“, murmelte er
schließlich, „Und ich hatte fest geglaubt, daß man ihm wenigstens einmal trauen
könnte.“
„Es ist nicht deine Schuld,
Machlon“, versuchte Kiljon ihn zu trösten. „Hedak hat deinen Wunsch nach
Frieden schamlos ausgenutzt.“
„Und die Schwerter aus meiner
Schmiede werden mein eigenes Volk zerschlagen“, sagte Machlon verzweifelt.
„Du hast im guten Glauben
gehandelt.“ Kiljon packte ihn bei den Schultern. „Fasse dich, Machlon“, bat er.
„Wir müssen uns überlegen, was wir tun, wenn die Wachen nach Boas suchen.“
Aber Machlon hielt den Kopf in
seinen Händen. „Boas vertraute mir, und ich habe diesen Verrat zugelassen“,
murmelte er. „Der Allerhöchste straft mich für meine Sünden — dafür, daß ich
Schwerter für die Moabiter geschmiedet habe.
Es war noch keine Stunde
vergangen, als draußen Lärm erklang. Kiljon stand auf und lauschte am Fenster.
„Was ist?“ fragte Machlon.
„Es sind Rufe, aber ich kann
sie nicht verstehen.“
Machlon stellte sich neben ihn.
Der Lärm war jetzt viel lauter geworden, und über seine Herkunft gab es keinen
Zweifel mehr. Eine Menschenmenge bewegte sich durch die Stadt und rief etwas,
das sie noch immer nicht verstehen konnten. Und da der Lärm immer lauter wurde,
zweifelten sie nicht daran, daß die Menge in ihre Richtung drängte.
Auf der Straße tauchten Fackeln
auf, und das Geschrei schwoll zum Gebrüll an. Dann konnte man deutlich das
Klirren von Rüstungen und Waffen und das Klappern von Pferdehufen
unterscheiden.
Kurz darauf vernahmen sie
heftiges Klopfen am Haustor. „Ich komme“, rief Machlon und reichte Kiljon
hastig das zweite Schwert. „Nimm es, wir wissen nicht, was geschehen wird...“
Bevor Machlon das Tor erreichen
konnte, brüllte eine Stimme, die er als die Nebos erkannte: „Öffne im Namen
Hedaks, des Verwesers von Moab!“
Verwesers! Die Farbe wich aus
Machlons Wangen. Dann war der König also wirklich...
„Zebuschar ist tot!“ schrie
Nebo. „Lang lebe Akton, König von Moab, lang lebe Hedak, der Verweser des
Reiches.“
Mit zitternden Fingern
entriegelte Machlon die Tür und öffnete sie. Nebo trat ein, gefolgt von
Soldaten mit gezogenen Schwertern. „Wo ist Boas“, herrschte er Machlon an.
„Was — was ist geschehen?“
fragte Machlon.
„Bist du taub? Zebuschar ist
tot. Sein Sohn Akton regiert an seiner Statt mit Prinz Hedak als Verweser.“
„Tot? Aber wir haben den König
doch erst vor kurzem verlassen!“
„Vergiftet. Während er heute
abend bei Tisch saß.“ Nebo wandte sich den Wachen zu. „Durchsucht das Haus, der
Israelit darf nicht entkommen.“
„Warum sucht ihr Boas? Was soll
er damit zu tun haben?“ Machlon wich keinen Schritt.
„Aus dem Weg, Hund!“ stieß Nebo
wütend hervor.
„Ein Schwert für den Herrn!“
schrie Machlon und schwang drohend seine Waffe. Seine Augen glühten wie im
Fieber.
„Kämpf nicht mit ihnen,
Machlon“, bat Kiljon, der wußte, wie sinnlos es war, sich Nebo und seinen
Wachen entgegenzustellen. Aber Machlon hörte nicht auf ihn, und Kiljon hatte
keine andere Wahl, als neben seinen Bruder zu treten.
Nebo verlor keine Zeit. „Schlagt
sie nieder“, befahl er den Wachen und sprang zur Seite, damit sie Vordringen
und sich auf die beiden Israeliten stürzen konnten.
Keiner der beiden Schmiede war
ein Kämpfer. Aber das Feuer, das in Machlons Augen aufgeglüht war, verlieh
seinen Hieben eine solche Wucht, daß er in diesem Augenblick den erfahrenen und
gewandten Kriegern nicht unterlegen war. Als der erste,
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