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Ruth

Ruth

Titel: Ruth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank G. Slaughter
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Rachel.
„Sie kann uns hören.“
    „Soll sie mich nur hören!“
Zelda erhob absichtlich ihre Stimme. „Vielleicht geht sie dann zurück nach
Moab.“
    „Sie ist sehr schön“, sagte
eine der Frauen. „Habt ihr schon jemals solches Haar gesehen?“
    „Denkt an Delila!“ riet Zelda
bissig. „Und gebt auf eure Männer acht. Die Moabiterinnen sind als Dirnen
bekannt.“
    Ruth verstand jedes Wort, aber
sie war zu müde von der ungewohnten Arbeit, um sich darüber zu ärgern. Ihre
Schürze enthielt bereits doppelt soviel Korn wie die der anderen, weil sie den
Boden nach losen Ähren absuchte und keine Zeit mit Schwatzen verschwendete,
aber sie fragte sich, wie lange sie noch so weiterarbeiten konnte. Nur ihr
Stolz und das Bewußtsein, daß Zelda triumphieren würde, sie vom Feld getrieben
zu haben, wenn sie jetzt das Ährenlesen aufgab, hielten sie aufrecht.
    „Der Allerhöchste schuf die
Erde für die Kinder Israels.“ Zeldas scharfe Worte drangen zu ihr herüber.
„Warum sollte eine Moabiterin unser Korn bekommen?“
    Konnten dies die gleichen
rechtschaffenen Menschen sein, von denen Machlon ihr erzählt hatte, fragte sich
Ruth. Konnte dies wirklich das auserwählte Volk des einzigen wahren Gottes
sein, dessen Verkündigungen sie zu ehren gelernt hatte als die einzig wahre und
gute Art zu leben?
     
     
     

6
     
     
    Es war Boas’ Gewohnheit, im
Laufe des Vormittags auf die Felder zu gehen, wenn die Schnitter bei der Arbeit
waren. Joseph ritt mit ihm, und als sie am Rande des Feldes vom Pferd stiegen,
blickten die Schnitter auf und wischten sich den Schweiß von der Stirn.
    „Der Herr sei mit euch“, sagte
Boas zu den Schnittern. Während er sprach, wanderten seine Augen über das Feld
und suchten eine schlanke Gestalt unter den Frauen, die anmutiger war als alle
anderen.
    „Der Herr segne dich“, sagte
der älteste der Schnitter, als Boas durch ihre Reihen ging. Er bemerkte da eine
stumpfe Schneide, dort einen wunden Fuß und gab den Männern Ratschläge, wie sie
diesen Übeln abhelfen konnten, denn er war ein freundlicher und
rücksichtsvoller Grundbesitzer und Herr.
    Elkan, der Aufseher, war im
angrenzenden Feld. Als er Boas sah, eilte er zu ihm hinüber. Er war mittleren
Alters und hatte ein gütiges Gesicht, aber sein Verhalten drückte Besorgnis
aus. „Möge die Mühe deiner Knechte Gnade in deinen Augen finden, Löwe von
Juda“, sagte er höflich zu seinem Dienstherrn.
    Boas lächelte. „Möge die Mühe
meiner Knechte ihren Lohn verdienen.“
    „Mögen der Löwe und das Lamm
sich friedlich zueinander legen“, sagte Joseph hinter ihnen, und die Schnitter
lachten über den Scherz.
    „Geht alles gut?“ fragte Boas.
    „Mit den Schnittern, ja. Aber
die Frauen, die Ähren lesen, sind unzufrieden.“
    „Du läßt zusätzliche Ähren
fallen, wie ich es angeordnet habe?“
    „Die Ährenleserinnen auf deinen
Feldern erhalten zweimal soviel wie die auf den anderen.“ Elkan wischte sich
die Stirn. „Die Frauen sind verärgert, weil Rachel die Moabiterin mit aufs Feld
gebracht hat. Ich wußte nicht, daß sie eine Heidin war, bis Zelda anfing, ihre
Natternzunge zu gebrauchen. Rachel sagte außerdem, daß du dich heute früh mit
der Moabiterin unterhalten hättest, deshalb wollte ich sie nicht von den
Feldern jagen, ehe ich mit dir gesprochen habe.“
    „Warum streiten sich die Frauen
mit ihr?“
    „Ich nehme an, weil sie schöner
ist als die anderen. Sie hat sich verhüllt, aber sie ist dennoch hübsch
anzusehen.“
    „Mehr als hübsch, Elkan.“
Joseph pfiff anerkennend. „Sie ist wie eine Lilie, die in einem Schlammhaufen
blüht.“
    Die Frauen waren näher
gekommen, während sich die Männer unterhielten, und Zelda hatte die letzten
Worte gehört. „Hübsch anzusehen! Pah!“ Sie spuckte in Ruths Richtung, die sich
beim Anblick der Männer zurückgehalten hatte und in einiger Entfernung hinter
den anderen stand. „Zuerst morden die Moabiter unsere Männer und machen uns zu
Witwen. Jetzt schicken sie ihre Frauen zu uns als Spione, damit sie junge
Narren mit ihren Schlichen einfangen.“
    „Achte auf deine Zunge, Zelda“,
sagte Boas scharf. „Damit du dich nicht selbst stichst und daran stirbst.“
    Joseph schaute immer noch auf
Ruth. „Sehr hübsch“, wiederholte er. „Wirklich sehr hübsch.“
    „Halte mein Pferd, Joseph“,
befahl Boas. „Ich werde mit ihr reden.“
    Von der Schärfe seines Tons
überrascht, übernahm Joseph die Zügel. Boas schritt über das gemähte Feld

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