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Ruth

Ruth

Titel: Ruth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank G. Slaughter
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rasch. „Und du sagtest...“
    „Ich glaubte nicht, daß Tob den
Preis dafür entrichten könnte, und ich hatte recht.“
    „Was ist dann mit diesem Geld?“
    „Ich hatte eines übersehen“,
gestand Noëmi. „Dieser Beutel enthält eine Anzahlung.“
    Ruth hielt den Atem an. „Kann
er...“ Sie stockte, sprachlos vor Entsetzen.
    Noëmi schüttelte den Kopf. „Tob
kann dich nicht in sein Haus nehmen, ehe er den vollen Preis bezahlt hat. Er
war vorsichtig: der Beutel enthält nur den zehnten Teil, wie es das Gesetz
fordert — so braucht er sich mit dem Rest der Summe nicht zu beeilen. Aber wenn
Tob sein Recht nicht öffentlich abtritt, indem er seinen Schuh einem anderen
übergibt, bist du ihm dem Gesetz nach versprochen.“
    „Nein!“ schluchzte Ruth.
„Nein!“
    „Vorläufig bist du in
Sicherheit, Kind“, beruhigte sie Noëmi. „Es sei denn, Tob kommt irgendwie zu
dem nötigen Geld, aber ich bezweifle, daß das bald sein wird.“
    „Ist — ist Boas nicht der
nächste Verwandte nach Tob?“
    „Ja.“ Noëmis Miene erhellte
sich. „Wenn ein Wunder geschähe, und der Blitz diese Schlange von Tob
erschlagen würde...“ Dann schüttelte sie den Kopf. „Nein, es ist eine Sünde,
einem Menschen den Tod zu wünschen, selbst einem wie ihm. Dennoch“, fügte sie
hinzu, „Tob würde dich vielleicht für einen Preis, der ihm Gewinn bringt,
aufgeben, und Boas ist wohlhabend.“
    „Ich bin keine Kuh, die man
kaufen und verkaufen kann“, rief Ruth empört aus.
    „Du bist eine Frau“, erinnerte
sie Noëmi. „Frauen gehören zu den Männern, die sie heiraten.“
    „Ohne daß sie selbst etwas dazu
zu sagen haben?“
    Noëmi lächelte. „Wir mögen
Leibeigene sein, Ruth, aber noch immer haben Frauen Wege gefunden, von den
Männern, die sie sich erwählten, auch zur Frau begehrt zu werden.“
    „Ich könnte nicht zu Boas gehen
und ihn bitten, Tob das Erbe abzukaufen“, entgegnete Ruth. „Er fühlt sich
bereits verantwortlich für Machlons Tod, und so würde er es vielleicht auch als
seine Pflicht empfinden, mich zu heiraten.“
    „Du liebst Boas, und er liebt
dich“, stellte Noëmi fest. „Er hat dich in den letzten paar Tagen nicht
besucht, weil er vielleicht Schwierigkeiten hat, sich zu entscheiden. Es liegt
an uns, ihm zu helfen, Ruth. Das ist das Vorrecht und die Pflicht einer Frau.“
    „Ich kann dem Mann, den ich
liebe, keine Falle stellen, damit er mich heiratet“, sagte Ruth. „Das wäre
nicht ehrlich. Außerdem will er mich inzwischen vielleicht gar nicht mehr.“
    „Das würdest du nicht sagen,
wenn du sein Gesicht gesehen hättest, als ihr miteinander getanzt habt.“ Noëmi
legte ihren Arm um Ruths Schultern. „Überlaß alles mir, Tochter. Deine Liebe zu
mir brachte dich hierher. Meine Liebe zu dir wird dafür sorgen, daß du dein
Glück findest.“
    Lange nachdem Ruth
eingeschlafen war, lag Noëmi noch wach in der Dunkelheit und suchte nach einer
Lösung. Als sie sie endlich gefunden hatte, schien die ganze Sache so einfach,
daß sie laut lachte. Ruth schreckte vom Lager hoch. „Was istlos, Noëmi?“ fragte
sie und rieb sich die Augen. „Ich dachte, du hättest gerufen.“
    „Ich habe nicht gerufen“, sagte
Noëmi. „Aber da du nun schon wach bist — hast du von irgend jemandem gehört,
wann das Worfeln stattfinden wird?“
    Ruth legte sich wieder hin.
„Elkan sagte, es würde in der Nacht des Vollmondes sein“, murmelte sie
schläfrig. „Ich habe nicht zugehört, weil es mich nichts angeht.“
    „Das ist in einer Woche“, sagte
Noëmi. Mit leiserer Stimme fügte sie hinzu: „Aber es wird dich angehen, Ruth.
Es wird dich sogar sehr angehen.“
     
     
     

12
     
     
    Am folgenden Tag ging Ruth
nicht auf die Felder, sondern blieb zu Hause bei Noëmi und half ihr, das kleine
Haus zu putzen, bis es wie neu aussah. Zusammen gingen sie zum Marktplatz und
verkauften, was sie von der gesammelten Gerste nicht selbst benötigten, um
dafür andere Nahrungsmittel und Haushaltsgegenstände einzuhandeln.
    „Wir sind wohlhabende Leute“,
lachte Ruth fröhlich, als sie mit ihren Bündeln beladen wieder ins Haus traten.
„Ein Haus, das uns gehört. Geld im Beutel für den nächsten Tag. Töpfe und
Pfannen. Was braucht man mehr?“
    „Unser Leben ist armselig im
Vergleich zu dem, das wir in Heschbon führten“, stellte Noëmi nüchtern fest.
„Sehnst du dich nicht manchmal nach den alten Zeiten zurück, Ruth?“
    Ein Schatten fiel über Ruths
Gesicht, als sie sich der quälenden

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