Rywig 01 - Bleib bei uns Beate
herunter, und wir aßen zu Mittag.
Dann wollten die Zwillinge fortgehen. „Zieht euch warm an“, sagte ich. „Diese rauhe Luft ist richtig heimtückisch. Und bleibt nicht zu lange draußen.“
Ich hatte im Zimmer der Zwillinge etwas zu tun und entdeckte dabei auf dem Stuhl neben Sonjas Bett die wollene Hose.
Die Kinder hatten schon recht, wenn sie sagten, ich könne stinkewütend werden. Jetzt war ich es.
Ich rannte die Treppe hinunter und hoffte, die Sünderin noch zu erwischen. Ich wollte sie beim Schlafittchen nehmen.
Sie stand noch auf dem Vorplatz, im Begriff, ihre Gummistiefel anzuziehen.
Ich war tatsächlich wütend. Ich holte mit der rechten Hand aus und ließ sie mit einem kräftigen Schlag auf den Körperteil niedersausen, der sich einem geradezu anbietet, wenn sich der andere vor einem in gebückter Haltung die Stiefel anzieht.
„Vielleicht lernst du es jetzt, deine wollene Hose anzuziehen“, sagte ich. „Auuuu!“ war die einzige Antwort.
Das Mädel richtete sich auf, drehte sich um und sah mich erschrocken an. Ich rang nach Luft. Es war nicht Sonja, die ich gehauen hatte. Es war Senta.
„Jaja“, sagte Senta philosophisch und rieb sich ihr schmerzendes Hinterteil, als ich Abbitte getan und ihr beteuert hatte, ich sei tief unglücklich. „Das hab ich nun davon.“
„Ach, Senta, damit wirst du mich nun bis an mein Lebensende aufziehen“, seufzte ich.
Senta schaute mich von der Seite an und lachte.
„Es hat gemein wehgetan, Beate - du hast es gar nicht verdient, daß ich so nett zu dir bin - aber ich werd mal nicht so sein, weil du’s bist. Auf Ehre, ich sag’s Sonja nicht weiter. Jedenfalls ein ganzes Jahr lang nicht. Das würde ja deine ganze Autorität untergraben -oder wie heißt es gleich? Und übrigens“, fuhr sie nachdenklich fort, „jetzt hab ich einmal zugute und darf ungehorsam sein, ohne daß ich bestraft werde, denn die Strafe habe ich ja nun weg. Nicht wahr?“ „Ach Senta - du gräßliches Frauenzimmer!“
„Das ist nicht dein Ernst, Beate. Du kannst uns im Grunde ganz gut leiden.“
„Ja, das kann ich, mein Goldkind. Das läßt sich nicht leugnen. Und ich danke dir, daß du so kameradschaftlich bist, Senta. Aber deine liebe Schwester kommt ins Bett mit Wärmflasche und Strafpredigt, darauf kannst du dich verlassen.“
„Dann irr doch bloß nicht wieder, so daß du mich ins Bett steckst!“ lachte Senta und verschwand durch die Tür.
Als die Zwillinge eine gute Stunde später zusammen nach Hause kamen, sagte ich kein Wort, bis ich Sonja beiseite nehmen konnte. Ich befahl ihr, mit in ihr Zimmer zu kommen, wo ich ihr eine Standpauke hielt, und ich wich nicht von ihrer Seite, bis sie sich maulend ausgezogen und ins Bett gelegt hatte. Dann brachte ich heißen Holundersaft, wickelte ihr einen wollenen Schal um den Hals und fuhr mit der Hand unters Kopfkissen und zog das Buch heraus, von dem mir schwante, daß es dort versteckt liege.
„Hier wird nicht gelesen“, sagte ich bestimmt. „Ganz unter die Decke mit dir, damit du den Krempel aus deinem Körper herausschwitzt.“
„Ich kann doch aber das Buch so halten...“
„Du kannst still daliegen und nachdenken, wie unfolgsam du gewesen bist“, sagte ich, stopfte das Oberbett noch fester um sie und ging hinaus.
Als der Doktor nach Hause kam und nach Sonja fragte, teilte ich ihm mit, daß ich sie zur Strafe ins Bett gesteckt hätte.
„Sieh mal einer an“, sagte Dr. Rywig. „Und sie bleibt auch im Bett?“
„Es scheint doch so“, entgegnete ich. „Sie hat wohl Angst davor, was geschehen könnte, wenn sie ohne Erlaubnis aufstünde.“
„Ich glaube, ich muß das, was ich neulich über die Autorität sagte, zurücknehmen“, meinte der Doktor lächelnd. „Es hat wirklich den Anschein, als ob die Kinder vor Ihnen Respekt hätten. Sagen Sie mir doch mal im Vertrauen: Wenn Sie meine hoffnungsvollen Sprößlinge gestraft haben, ist es dann nie vorgekommen, daß sie gesagt haben ,Dazu hast du gar kein Recht’ ?“
„Nein“, sagte ich. „Merkwürdig ist es schon; aber es ist nie vorgekommen. Die Kinder wissen, daß ich sie gern habe, und sie haben Vertrauen zu mir - wir haben so vieles Gute und Nette gemeinsam, und da finden sie es wohl ganz in Ordnung und richtig, daß ich sie strafe, wenn sie es verdient haben.“
Der Doktor nickte. Er schwieg eine Weile, in seine eigenen Gedanken vertieft. Dann hob er den Kopf und lächelte wieder.
„Nun, haben Sie an Ihre Mutter geschrieben?“
„Ja, das habe
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