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Rywig 04 - Die Glücksleiter hat viele Sprossen

Titel: Rywig 04 - Die Glücksleiter hat viele Sprossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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ich mich anpassen mußte; nicht nur das, die größte Schwierigkeit war ja die, daß ich mich mit jedem Nerv, mit allen Fasern nach Süden sehnte, nach diesem merkwürdigen Land, dem Land mit den unendlichen Steppen, mit dem hohen, blauen Himmel, mit der sengenden Sonne, dem Land mit seinen Millionen von Tieren. Es war das Land, wo die Löwen morgens ihr dröhnendes Gebrüll ertönen ließen, das Land, wo die niedlichen Gazellchen in fliegenden Sprüngen dahinsausten - wo die Erde unter Millionen galoppierenden Hufen der Gnus und der Zebras zitterte. Da, wo warmes, reiches Leben in jedem Baum, in jeder Höhle, unter jedem Busch war; da, wo immer gelebt und gekämpft wurde, wo Tausende und abermals Tausende kleine Wesen jedes Jahr geboren wurden; da, wo man seinem Schöpfer und dem Herzen der Welt am nächsten war.
    Mein Afrika!
    Heikos und meine Augen trafen sich. In diesem Augenblick dachten und fühlten wir dasselbe. Wir hielten uns die Hände und wußten, ohne ein Wort zu sagen, daß wir einander für immer gehörten.
    Bernt war aufgestanden. Jetzt kam er herein, den Sektkübel in den Händen. Hinter ihm erschien Katrin mit dem großen Tablett voll Gläser.
    Als die alte Standuhr zum Schlagen ansetzte, sprang der erste Korken.
    Dann heulten die Sirenen, die Glocken läuteten, ein Jahr war zu Ende.
    Bis jetzt das schönste meines Lebens.
    Die fröhlichen Rufe und Neujahrswünsche flogen durch die Luft, hier wurden Hände gedrückt, da gab es einen schnellen Kuß, dann kam endlich eine kleine Pause. Papa stand auf, das Glas in der Hand.
    „Senta, mein Mädchen, in dieser Sekunde bist du 21 Jahre alt. Wir gratulieren dir innigst - nein, wartet mit dem Abküssen, jetzt habe ich das Wort! Offiziell gratuliert wird erst in einigen Stunden, wenn wir alle morgenfrisch sind. Aber ich habe etwas zu sagen, euch beiden. Sonja hat warten müssen, bis du, Senta, auch mündig geworden bist, und das bist du jetzt seit“ - Papa warf einen schnellen
    Blick auf die Uhr - „seit vierundfünfzig Sekunden. Vor 21 Jahren -ich war erst siebenundzwanzig und noch Medizinalassistent - , als ich plötzlich Vater von Zwillingen war, außer einem Sohn, da fühlte ich die Verantwortung so stark, daß ich am folgenden Tag aus lauter väterlicher Fürsorge hinlief und für die beiden kleinen Schreihälse eine Versicherung abschloß. Damit sie etwas Startkapital haben sollten, wenn sie groß wurden. Für Ausbildung oder Aussteuer oder irgend was. Hier, meine Mädchen, habt ihr die Policen. Die Summe ist jetzt fällig, ihr werdet sie in wenigen Tagen kriegen. Pro Nase fünftausend Kronen. Das ist nicht viel, nach dem heutigen Wert der Krone, aber immerhin, Geld ist es ja. Nein, wartet, gedankt wird noch nicht. Wenn ich ausnahmsweise in diesem Haus mal das Wort habe, das kommt nicht allzu oft vor, will ich auch ausreden. Ihr habt komischerweise nie gefragt, wie es mit euren Finanzen eigentlich steht. Das liegt wohl daran, daß ihr bis jetzt nie richtige finanzielle Sorgen gehabt habt, ihr Glückspilze. Wie dem auch sei: Ich habe heute die angenehme Pflicht, euch mitzuteilen, daß die Erbschaft von eurer Mutter, zuzüglich dem, was Opa euch vermacht hat, zusammen neuntausenddreihundertvierunddreißig Kronen fünfundachtzig Öre beträgt - pro Nase. Darf ich die Ehre haben, meinen beiden mündigen Töchtern ihr Vermögen auszuhändigen?“
    Er reichte uns schmunzelnd je ein Sparbuch. Als Senta die Hand danach ausstreckte, sah ich, daß etwas an ihrem Ringfinger glitzerte. Rolf hatte nicht bis zur Bescherung am nächsten Morgen warten können. Er hatte ihr, wahrscheinlich in der Sekunde, wo sie 21 wurde, einen Brillantring auf den Finger gesteckt.
    Ich empfand keine Spur von Neid! Ich gönnte es meiner Schwester so innig, so aus vollem Herzen. Wenn ich meinen eigenen Ring betrachtete, meinen Ring, den Heiko mit so viel Liebe ausgesucht und für den er geschuftet und sich abgerackert hatte - ja, da konnten mir alle Brillanten, einschließlich des KohinoorDiamanten, gestohlen bleiben!
    Wir machten unsere Sparbücher auf, wir sahen uns andächtig unsere Versicherungspolicen an.
    Alles in allem vierzehntausenddreihundertvierunddreißig Kronen fünfundachtzig öre - umgerechnet etwas über siebentausend Mark.
    „O Papa, tausend Dank! Was bist du für ein wunderbarer Vater! Wir hätten uns keinen besseren aussuchen können!“ versicherte Senta.
    Dann ging es los mit Fragen und Überlegen. Rolfs Eltern, mit denen wir übrigens alle an diesem Abend

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