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Rywig 04 - Die Glücksleiter hat viele Sprossen

Titel: Rywig 04 - Die Glücksleiter hat viele Sprossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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mich trotzdem schrecklich!“
    „Muttchen, hast du zufällig was Eßbares im Haus, einen Rest vom Mittag oder so?“
    „Natürlich habe ich das, habt ihr kein Mittagessen gehabt? Ich werde gleich die Suppe warm machen, ein paar Klöße sind auch noch da - geht rein und macht es euch gemütlich.“
    Suppe mit Klößen, dachte ich. Wie herrlich! Eine schöne Brühe mit Fleischklößchen, darauf hatte ich Appetit!
    Schnell die Plastikdecke auf den Tisch gelegt - es war ja ein ganz gewöhnlicher Montag, also wurde auf wäschesparendem Plastik gegessen - und zwei Teller hingestellt. Dazu das Brotkörbchen mit zwei dicken Schwarzbrotscheiben.
    Was in aller Welt war dies? Die Suppe war gelblich-weiß und roch so sonderbar säuerlich.
    Heiko aß schon mit Wohlbehagen. Ich nahm vorsichtig einen Löffel.
    Das war das Schrecklichste, was ich in meinem Leben gekostet hatte! Ich bin wirklich nicht sehr wählerisch, aber dies.!
    „Kennst du auch die Buttermilchsuppe so, Sonja?“ fragte meine Schwiegermutter freundlich. „Oder ißt du sie lieber mit Backpflaumen?“
    Himmel, steh mir bei, dachte ich. Backpflaumen in heißer Buttermilch, das wäre noch schrecklicher als Grießklöße.
    „Nein, nein, ich ziehe unbedingt die Klöße vor!“ Ich sammelte all meinen Mut und meine Selbstbeherrschung und nahm noch einen Löffel. Mit Hilfe eines großen Brotbissens schaffte ich es. Aber wie sollte ich mit dem großen Teller fertig werden, ohne zu brechen!
    Gott sei Dank, da ging Muttchen in die Küche, um das Kaffeewasser aufzusetzen. Blitzartig riß ich Heikos bereits leergekratzten Teller an mich und schob ihm meinen hin.
    „Schnell, Heiko, bitte, bitte, sei so lieb - ich schaffe es nicht!“ Heiko löffelte ohne Protest das widerliche Zeug, und ich aß trockenes Schwarzbrot zu Mittag.
    Später erfuhr ich, daß dies ein ganz gewöhnliches und häufig gegessenes Mittagsgericht in Norddeutschland war.
    O Schreck, o Graus!
    In diesem Augenblick hätte ich zehn von Beatemuttis Frikadellen verputzen können!
    Natürlich war es zum Lachen. Nur zum Lachen.
    Und doch - diese grenzenlose Genügsamkeit, die so eisern durchgeführte Sparsamkeit fing langsam an, mir auf die Nerven zu gehen.
    Keine Blumen mitbringen, keine Mitbringsel von einer Reise, nie eine kleine, unvernünftige Überraschung. Nie ein wirklich raffiniert gutes Mittagessen. Ein Haushalt ohne eine Ketchup-Flasche, ohne pikante Gewürze, ohne die tausend Kleinigkeiten, die bei uns zu Hause eine Selbstverständlichkeit waren. An dem Sonntag, als wir bei den Schwiegereltern eingeladen waren, hatte es Schweinebauch und Grünkohl gegeben. Es lag furchtbar schwer im Magen. Aber es sättigte und war bestimmt billig.
    Hatten sie denn nie frische Fische mit Petersilienbutter, nie ein Stück mageres, kurzgebratenes Fleisch, nie eine schön angerichtete Gemüseplatte?
    Wir saßen im Bus, wir waren auf dem Heimweg.
    „Na, die Suppe war wohl zuviel für deine norwegische Zunge“, schmunzelte Heiko. „Du wirst halbtot vor Hunger sein, du Ärmste!“
    „Das bin ich“, gab ich zu. „Ich überlege dauernd, was wir im Kühlschrank haben. Heiko, bist du mit solcher Suppe großgeworden?“
    „Ich bin sogar zum Teil von solcher Suppe großgeworden“, lächelte Heiko.
    „Also gibt es doch einen Punkt, wo wir nicht übereinstimmen“, stellte ich fest.
    „Ist nicht schlimm! Ich bin Allesesser, du kannst immer nach deinem Geschmack kochen, mein Mädchen!“
    „Solange mein Geschmack sich mit deinem Portemonnaie vereinbaren läßt“, dachte ich. Aber ich sagte es nicht laut.
    Zum Abendbrot aß ich sechs Scheiben Vollkornbrot mit norwegischem Ziegenkäse.
    Als ich am folgenden Morgen zum Bäcker kam, war der Laden voll. Der Bäckerladen war nun mal die „Quasselzentrale“, wie Heiko es respektlos ausdrückte. Da erfuhr man, wer geboren, gestorben, verlobt oder erkrankt sei. Da bekam man zu wissen, daß Frau X jetzt eine Zahnprothese trug und daß Frau Y demnächst zur Kur fahren wollte. Da wußte man, wer ein neues Auto bestellt hatte und wer sich einen Farbfernseher leisten konnte.
    Als ich reinkam, fielen plötzlich alle Münder zu. Niemand brauchte mir zu erzählen, daß von meiner Wenigkeit die Rede gewesen war. Die Art, wie die Kundinnen mich begrüßten, war entschieden tiefgekühlt.
    Was in aller Welt hatten sie gegen mich?
    Als dann das Postfräulein mich von oben bis unten musterte und mir meine Briefmarken ohne ein Wort hinlegte - wo wir doch immer ein paar kleine Scherze

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