Rywig 04 - Die Glücksleiter hat viele Sprossen
darum, in allen drei recht höflich und zuvorkommend zu sein. Nicht nur des Trinkgeldes wegen, obwohl das natürlich auch herrlich war - ich hatte zu Hause eine extra kleine Büchse dafür - , sondern auch, damit die Chefin mit mir zufrieden blieb - und weil es mir Spaß machte, zufriedene Kunden zu haben. Viele kamen jeden Vormittag zur gleichen Uhrzeit, bekamen ihre Tasse Kaffee und ihr Stück Kuchen. Dann hatten wir, wie die Chefin im voraus gesagt hatte, sehr viele Touristen. Neben unserer Konditorei war ein Andenkengeschäft, auf der anderen Straßenseite ein Auskunftsbüro, also ließ es sich einfach nicht vermeiden, daß die Touristen auch bei uns reinschneiten! Es machte Spaß, mal wieder Englisch zu sprechen, und erst recht, meine Muttersprache wieder zu hören und zu benutzen. Viele wunderten sich darüber, daß „ein deutsches junges Mädchen so gut Norwegisch sprach“. Dann mußte ich sie ja aufklären, und wenn ich Zeit hatte, konnte ich auch manchmal ein bißchen mit meinen Landsleuten plaudern.
Die Zeit flog nur so dahin!
Ich hatte alle Hände voll zu tun! Auf um sechs. Wohnung aufräumen, Frühstück machen, Mittagessen etwas vorbereiten. Mit dem Bus in die Stadt, dann vier Stunden Arbeit, anschließend Einkaufen, wie ein Blitz nach Hause und Mittagessen hervorzaubern. Der Nachtisch war beinahe jeden Tag der gleiche: „Unglückskuchen“ von der Konditorei. War ein Stück Sahnetorte auf die Seite gefallen und die Dekorationen abgerutscht, hatte der Konditor mit einem Törtchen Pech gehabt, so daß etwas ausgelaufen war, dann bekamen wir Angestellten die Pechkuchen. Das heißt, ich bekam sie. Meine beiden Kolleginnen arbeiteten schon so lange in dieser süßen Umgebung, daß sie keine Kuchen mehr sehen konnten. Ich war noch lange nicht soweit, ich genoß die täglichen Kalorienstöße, und Heiko auch!
Ich wusch ab, ich versorgte Romeo und Julia, ich plante für den nächsten Tag. Sonntags stand ich gewöhnlich ein paar Stunden am Plättbrett. Aber es machte mir alles Spaß, ich hatte meine ganze alte gute Laune wieder und blickte optimistisch in die Zukunft!
Als Heikos Schuljahr zu Ende war, übernahm er beinahe die gesamte Hausarbeit. So hatte ich abends plötzlich Zeit und konnte mich im Sessel räkeln und mich von meinem Göttergatten verwöhnen und geistreich unterhalten lassen. Die Unterhaltung bestand übrigens hauptsächlich darin, daß er mich in Suaheli wörtern abhörte und ich ihn. Es machte viel mehr Spaß, wenn wir gemeinsam lernten, es regte an und erweckte in uns beiden den Ehrgeiz!
Dann hatten wir eine angenehme Überraschung. Senta und Rolf kamen ganz früh an einem Sonntag morgen. Sie teilten uns mit, daß sie gegen Mittag nach Italien fliegen würden, wir müßten sie zum Flughafen bringen, und dann dürften wir den Wagen drei Wochen behalten - „aber bitte weder Wagen noch euch selbst zu Mus fahren!“ ermahnte uns meine Schwester.
Wie war das himmlisch! Ich wurde nun jeden Morgen per Auto zu meiner Konditorei gebracht und mittags pünktlich abgeholt. Ja ja, es hatte schon etwas für sich, so ein eigenes Wägelchen zu haben. Aber - zum hundertachtundsiebzigsten Male dachte ich an Papas sonnenklare Logik: Entweder - oder! Entweder Auto und Ausgehen und feines Essen - oder Flugkarten nach Afrika!
Dann gab es für uns keine Wahl. Ich hatte mich an unsere anspruchslose Lebensweise gewöhnt, ich wußte ja, warum wir sparen mußten - was heißt mußten, ich meine wollten!
Auf dem Bücherregal stand ein Sparschwein. Da wurden jede Woche ziemlich viele Münzen reingesteckt. Heiko hatte ja sein Sparbuch, ich aber bleib beim Schwein!
Wir feierten Heikos siebenundzwanzigsten Geburtstag. Ich kaufte eine schöne kleine Torte, die ich natürlich mit Prozenten bekam, und baute ihm ein Tischlein auf, das ich mit selbstgepflückten wilden Heckenrosen schmückte. Viele Geschenke waren nicht darauf, er hatte ja eine halbe Schreibmaschine schon weg. Die Kleinigkeiten, die ich ihm schenkte, waren lauter Sachen, die er für eine Afrikareise brauchen konnte: eine gute Taschenlampe, ein Taschenmesser, und -von meinem Vater abgebettelt - eine praktische kleine Tasche für die notwendigsten Medikamente und Verbandmaterial.
Die Schwiegereltern kamen zu Mittag, ich hatte Fleischklöße nach Beatemuttis Rezept gemacht. Uwe, Heikos Bruder, den ich beinahe nicht kannte, war in Urlaub.
Der Tag wurde urgemütlich, in aller Bescheidenheit. Nach meinem Gespräch mit Papa empfand ich eine neue - ja ich
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