S - Spur Der Angst
Burdette, und Shaylee verdrehte die Augen.
Während Spurrier einen kleinen Koffer aus dem Wasserflugzeug holte, stellte Lynch seiner neuen Schülerin Wade Taggert und Jordan Ayres vor. Obgleich schon Taggert ein großer, durchtrainierter Mann mit einem stets leicht besorgten Gesichtsausdruck war, kam Schwester Jordan wie eine wahre Naturgewalt daher. Mit ihren knapp eins fünfundachtzig sah sie aus, als wäre sie dem deutschen Zehnkampf-Olympiateam entsprungen. Sie hatte kurzes blondes Haar, verblüffend blaue Augen und einen muskulösen Körperbau. Die Schulschwester sprühte geradezu vor Entschlossenheit.
Lynch scheuchte alle in Richtung der Ansammlung von Gebäuden entlang des Seeufers. »Gehen wir rein, damit wir die Formalitäten erledigen und dir dein Zimmer zeigen können. Du willst dich doch sicher erst mal ein wenig eingewöhnen.«
»Ich soll mich hier eingewöhnen?«, wiederholte Shay spöttisch. »Sie machen wohl Witze! Ich werde mich bestimmt nicht ›eingewöhnen‹.«
Keiner widersprach. Sie hatten mit ihrer Reaktion gerechnet. Das hatten sie schon hunderte Male gehört.
Shaylee beäugte die aus Zedernholz, Stein und viel Glas bestehenden Gebäude, die Urlaubsstimmung verströmten und so gar nicht nach einer geschlossenen Besserungsanstalt aussahen. Trent folgte ihrem Blick und entdeckte ein paar Schüler, die durch die Fenster spähten, in der Hoffnung, ihre neue Mitschülerin zu Gesicht zu bekommen.
»Du bist im Mädchenwohnheim untergebracht«, erklärte Burdette. »Doch bevor du dich in dein Zimmer zurückziehen darfst, musst du dich auf der Krankenstation einem Gesundheitscheck unterziehen und entgiften.«
»Entgiften?«, wiederholte Shay. Ihre coole Fassade bekam Risse. »Warum? Glauben Sie etwa, ich bin auf Drogen? Um Himmels willen, ich nehme keine Drogen! Absolut nicht! Es sei denn, das Koffein in einem Red-Bull-Energydrink fällt darunter. Was hat Edie Ihnen erzählt?« Sie machte eine unwillige Handbewegung. » Was? Dass ich crackabhängig bin? Oder süchtig nach Meth?«
McAllister trat einen Schritt vor und lächelte das verängstigte Mädchen an. »Du wirst es überleben«, sagte er.
»Ach ja? Woher wollen Sie das wissen?«
»Ich habe einen Draht zu dem Mann da oben«, scherzte der Geistliche. »Er hat es mir gesagt.«
Shay verdrehte erneut die Augen. Dr. Williams und Schwester Jordan schlugen den Weg hinter dem Verwaltungsgebäude ein, der zur Krankenstation führte.
»Hier entlang«, sagte Burdette ruhig. Sie deutete auf Williams und Ayres in ihren identischen Windjacken und ließ Shaylee keine Wahl.
Jules’ kleine Schwester warf einen furchtsamen Blick über die Schulter und sah McAllister hinterher, der bereits den Campus in die andere Richtung überquerte.
Ihr Blick blieb an Trent hängen. Zu Zorn und Furcht in ihren Augen gesellte sich noch etwas anderes: ein Fragezeichen. Ihre Stirn kräuselte sich, als sie ihn mit zusammengekniffenen Augen musterte.
Trent nahm an, dass sie sich nicht sicher war, ob sie ihn kannte oder nicht.
»Dann würdest du deine Erfahrung also als positiv beschreiben?«, fragte Jules, die auf der Sofakante in dem kleinen, alten Haus ihrer Cousine Analise im Westen von Seattle saß.
»Selbstverständlich.« Analise wischte ihrer Tochter das Gesicht mit einem warmen Lappen ab. »Ja, es war großartig.«
Chloe, vierundzwanzig Monate alt, hockte in ihrem Hochstuhl, schüttelte energisch den Kopf und protestierte: »Nein! Nein, Mommy!«
»Blue Rock hat bei mir in der Tat zu einer Kehrtwende geführt«, sagte Analise, dann, an ihre Tochter gewandt: »Schon gut, schon gut, du bist ja jetzt sauber.«
»Runter!«, befahl Chloe.
»Alles klar.« Analise hob die Kleine aus ihrem Hochstuhl. Mit einem misstrauischen Blick in Jules’ Richtung wackelte diese auf die stämmige Bulldogge, den Familienhund, zu. Eine Sekunde später schoss der Hund davon, alles andere als scharf darauf, in die Fänge einer quirligen Zweijährigen zu geraten.
»Ich habe einfach ein schlechtes Gefühl, was die Blue Rock Academy anbelangt«, gab Jules zu.
»Warum?«
»Diese Verschwiegenheit, ganz zu schweigen von der Abgeschiedenheit! Sie ist dort ja völlig isoliert, ich kann sie nicht einmal telefonisch erreichen!«
»Das ist so, damit sich die Schüler auf sich selbst konzentrieren können. Sie darf dich etwa einmal pro Woche anrufen – das kommt ganz darauf an –, sobald die Eingewöhnungsphase überstanden ist.«
»Und wie lange dauert die?«
»Nun, das ist bei
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