S - Spur Der Angst
verschneiten Weg, der zum Stanton House führte.
Sie hatte Adele Burdette anrufen wollen, die in Blue Rock für die weiblichen Schüler zuständig war. Laut Hochglanzbroschüren war sie qualifiziert, bei sämtlichen Traumata, ganz gleich ob psychischer oder physischer Natur, Hilfe zu leisten und die Schüler bei körperlichen und verbalen Auseinandersetzungen zur Problemlösung anzuleiten.
Maeve Mancusos Zusammenbruch auf dem Gang des Schulgebäudes zählte vermutlich dazu, aber Jules wollte keinen Sturm im Wasserglas entfachen. Dr. Burdette sollte zwar davon in Kenntnis gesetzt werden, aber sie nahm sich vor, die Sache herunterzuspielen. Sobald sie die Oberstudienrätin informiert hatte, wollte sie Analise und deren Mann anrufen. Sie musste mehr über die CBs herausfinden, und sie ging davon aus, dass ihre Cousine eine gute Informationsquelle war. Eli war Collaborator gewesen; bei seinem letzten Anruf hatte er kaum etwas preisgegeben, aber wenn sie ihn jetzt mit ihren Vermutungen bezüglich eines obskuren Geheimbunds konfrontierte, würde er vielleicht mit der Sprache herausrücken.
Oder dir ins Gesicht lachen.
Weil sie ihr Handy nicht in der Handtasche fand, sah sie in der Büchertasche nach. Nichts. Auch ihre Jackentaschen waren leer. »Das kann doch gar nicht sein«, sagte sie zu sich und dachte daran, dass sie es im Klassenzimmer noch gehabt hatte. Sie hatte ja mit Edie telefoniert.
Das Handy war definitiv fort.
Hatte sie es in der Klasse liegen gelassen?
Na toll. Ein Mörder trieb auf dem Campus sein Unwesen, und sie hatte nicht mal ein Handy, um im Notfall Hilfe holen zu können. Ein prima Beispiel für ihre Schüler.
Sie machte auf dem Absatz kehrt und eilte zurück zum Schulgebäude. Welche Informationen würde jemand ihrem Handy entnehmen können?, überlegte sie. Obwohl sie es stets abschaltete, würde es jedem Technikfreak im Handumdrehen gelingen, an die gespeicherten Daten heranzukommen. Unter den Telefonnummern befanden sich auch die von Edie, mobil und Festnetz, sowie Shays alte Handynummer. Viel schlimmer aber war, dass die Nummer von Nonas Prepaidhandy in der Anrufliste zu finden wäre.
»Verdammt, verdammt, verdammt.«
Jules’ Herz begann zu rasen, und sie musste gegen die aufsteigende Panik ankämpfen. »Jetzt dreh mal nicht durch«, wies sie sich selbst zurecht. Ihr Atem bildete kleine weiße Wölkchen in der eisigen Dunkelheit. Das Handy war bestimmt nicht verloren oder gestohlen, sie hatte es sicher nur verlegt. Trotzdem spürte sie, wie sich ihr Magen verknotete bei dem Gedanken, was für sie auf dem Spiel stand.
Sie flog förmlich durch die Glastüren und rannte die Treppe hinauf. Ihre Stiefel hallten in dem leeren Flur wider und hinterließen eine nasse Spur auf den Bodenfliesen. Im ersten Stock schoss sie um die Ecke, dann blieb sie abrupt stehen, weil sie Missy Albright entdeckte, die gerade eben die Tür zu Raum 212 hinter sich schloss. Im leeren Flur vor dem Klassenzimmer lungerte Zach Bernsen herum, als würde er Schmiere stehen.
Was hatte das zu bedeuten?
Für den Bruchteil einer Sekunde verharrten alle wie angewurzelt, dann verzogen Missy und Zach das Gesicht nahezu gleichzeitig zu einem Grinsen.
»Hi!«, zwitscherte Missy und hielt einen Taschenrechner hoch. »Es tut mir leid, ich habe meinen Taschenrechner vergessen. Ich dachte, er wäre mir aus der Tasche gefallen, als ich vorhin bei Ihnen war.«
»Ach?« Jules’ Stimme klang mehr als ungläubig. »Ich habe ihn gar nicht bemerkt, als ich das Klassenzimmer aufgeräumt habe.« Und jetzt ist mein Handy fort.
»Ich weiß, ich weiß.« Missy verdrehte die Augen, als wollte sie sagen: Was bin ich nur für eine dumme Gans. »Ich hatte gerade angefangen zu suchen, da kam Zach und brachte ihn mir. Ich hatte ihn im Naturkundelabor liegen lassen, wo wir zusammen ein Chemieexperiment vorbereitet haben.« Sie zuckte übertrieben die Achseln, dann machte sie sich mit Zach auf den Weg zu den Aufzügen. »Es tut mir leid.«
»Warte mal«, sagte Jules, die das Mädchen nicht so leicht davonkommen lassen wollte. »Hast du im Klassenzimmer zufällig mein Handy gesehen?«
Missys Gesicht nahm einen verwirrten Ausdruck an. »Nein«, antwortete sie kopfschüttelnd und hielt Jules’ prüfendem Blick stand. »Aber ich habe auch nicht darauf geachtet.«
»Ich dachte nur, es wäre dir bei deiner Suche aufgefallen.«
»Leider nein.« Wieder das übertriebene Achselzucken. Wenn sie das Mädchen nicht direkt eine Lügnerin nennen oder
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