S - Spur Der Angst
ehemals beste Freundin ins Gesicht geschleudert, als Jules die beiden zusammen in ihrem Ehebett erwischte.
»Denk nicht daran«, ermahnte sie sich. Es war nicht der richtige Zeitpunkt, um alte Geschichten wieder aufzuwärmen. Sie steckte Trents Pistole ein, verließ ihr Apartment und eilte die Treppen hinunter. Erst vor der Haustür blieb sie stehen, um zu verschnaufen, die Taschenlampe in der Hand.
Eins nach dem anderen, und das Wichtigste zuerst. Sie würde irgendwie Kontakt zu Trent aufnehmen müssen, gleichgültig, wie sauer er wäre, dass sie nicht still in ihrem Apartment gesessen und Däumchen gedreht hatte. Nun, er kannte sie doch! Wenn sie und ihre Schwester etwas gemeinsam hatten, dann, dass Geduld nicht gerade ihre Stärke war.
Sie machte sich auf den Weg zu seinem Blockhaus, doch schon nach zwei Schritten blieb sie wie angewurzelt stehen. Aus dem Augenwinkel nahm sie eine Bewegung wahr und wusste augenblicklich, dass sie nicht allein in der Dunkelheit war. Lautlos glitt sie zurück in den Schatten der Hauswand, den Blick auf eine Gruppe von Leuten gerichtet, die in die entgegengesetzte Richtung eilte. Dick vermummt wegen der Kälte, die Gesichter nicht zu erkennen, stapften sie wortlos durch den Schnee Richtung Kirche.
Ihr Schweigen klang wie eine unhörbare Totenglocke.
Jules’ Finger schlossen sich um die Pistole. War das eine Sicherheitspatrouille?
Wohl kaum.
Ein Team bestand aus zwei, höchstens drei Personen, und das hier mussten fünf sein. Nein, vier! Alle schritten so schnell aus, wie sie konnten, einem gemeinsamen Ziel verpflichtet.
Wie mochte dieses Ziel aussehen? Ging es um Mord?
Vorsichtig löste sie sich aus dem Schatten und schlich ihnen nach. Eine Sekunde lang meinte sie, Shay in der Gruppe zu erkennen – eine der Gestalten hatte die richtige Größe und einen ganz ähnlichen Gang –, aber das war ja wohl unmöglich. Die beiden hinteren Personen waren größer, und die vierte Gestalt, die mit der vermeintlichen Shay vorn marschierte, war eindeutig weiblich: Jules erkannte lange Haare und eine schlanke Figur. Anders als die anderen war sie nämlich nicht dick eingepackt, trug nicht einmal eine Mütze.
Irgendwie machte es plötzlich den Eindruck, als würden die beiden vorderen Gestalten vorwärtsgetrieben. Das Mädchen ohne Mütze stolperte.
Jules öffnete den Mund zu einem stummen Schrei, als eine der größeren Personen das Mädchen am Arm fasste und hochriss. Das Licht einer der wenigen Weglaternen fiel auf die kleine Gruppe, etwas Silbernes blitzte in der Hand der offensichtlich männlichen Gestalt hinter der Shay-Doppelgängerin auf.
Jules wäre beinahe das Herz stehengeblieben, als sie eine Pistole erkannte.
Natürlich, sie gehörte zur Ausstattung der Teams. Dennoch …
Das Mädchen ohne Mütze fing sich wieder, fest am Arm gepackt von der hochgewachsenen dünnen Gestalt, und warf einen Blick über die Schulter. Sein Gesicht war leichenblass, die Augen weit aufgerissen vor Panik.
Großer Gott, es war Nell Cousineau!
Das Mädchen, das Jules vermutlich die Nachricht unter der Tür hindurchgeschoben hatte!
Sie um Hilfe angefleht hatte!
In dem Moment wusste Jules, dass die beiden größeren Gestalten nichts Gutes vorhatten. Sie bezweifelte keine Sekunde, dass die beiden Mädchen einem schrecklichen Schicksal entgegengeführt wurden.
Jetzt fiel der bläuliche Schimmer der Weglaterne auf das Mädchen mit der Pistole im Rücken, und Jules erkannte voller Entsetzen ihre Schwester.
Ihr schlimmster Alptraum war Wirklichkeit geworden: Die Killer hatten Shay!
Klirrr!
Irgendwo splitterte Glas.
Trent erstarrte, dann wandte er sich vorsichtig um und horchte. Aus welcher Richtung war das Klirren gekommen?
Er war auf dem Weg zurück zum Pferdestall, um sich mit Lynch und Meeker zu treffen, als er das Geräusch vernahm, das unnatürlich laut durch die Stille hallte.
»Was zum Teufel war das?«, flüsterte er.
Jetzt war alles wieder still. Totenstill. Kein einziger Laut durchbrach die nächtliche Ruhe.
Wumm!
Er wirbelte herum und spähte in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Dort standen die Blockhäuser.
Aber wer sollte dort mitten in der Nacht Scheiben einwerfen? Da fielen ihm Lynchs Psychogramme auf seinem Esstisch ein, und er fing an zu laufen.
Vielleicht wollte jemand genau die in seinen Besitz bringen …
»Verflucht!«
So schnell er konnte, stapfte er durch den dicken Schnee hinter dem Verwaltungsgebäude und durch das Kiefernwäldchen zu der
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