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Saat der Lüge

Saat der Lüge

Titel: Saat der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Jones
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Gesellschaft vermutlich peinlich war. Sie saß in rücksichtsvoller Entfernung von ihm, aber nahe genug, um im Notfall eingreifen zu können. Verglichen mit der Schäbigkeit des altmodischen Wohnzimmers, in dem sich schwere Fünfzigerjahremöbel und geerbtes Porzellan gegen knallorangefarbene und braune Nylonstoffe der späten Siebziger behaupteten, waren die beiden auffallend adrett gekleidet und wirkten wenig bedrohlich in ihren Strickjacken, Stoffhosen und Pantoffeln.
    Ich hatte einen offenen Ordner auf dem Schoß liegen und hielt sorgsam die losen Blätter fest, damit sie keinen Erdrutsch verursachten. Seite für Seite war mit einer unregelmäßigen, immer erwachsener werdenden Handschrift beschrieben, die hier und da ein wenig kursiver oder nachlässiger wurde, aber zweifelsohne von derselben Hand stammte.
    »Als Kind hat sie immer irgendetwas geschrieben«, sagte der alte Mann. »Ganze Bände hat sie geschrieben, Gedichte, Geschichten über die Leute auf der Straße. Immer hat sie sich etwas ausgedacht. Einmal hat sie versucht, ein Theaterstück über das Leben nach dem Bergbauzeitalter zu schreiben, über die gesellschaftlichen Auswirkungen und so. Jugendliche, die Drogen nehmen oder in Pubs herumhängen, Sie wissen schon.«
    Ja, das wusste ich nur allzu gut. Ich nickte.
    »In dem Stück wurde eine Menge geflucht. Das F-Wort kam ziemlich oft vor«, warf die alte Frau ein. »Ich habe gesagt, Jenny, muss denn da wirklich so viel geflucht werden? So reden die Leute doch nicht, ständig diese unflätige Sprache! Aber sie hat gesagt, Oma, das ist keine unflätige Sprache, das ist Realismus. Da war sie ungefähr elf. Sie war ihrer Zeit immer voraus.«
    Er fuhr fort: »Als sie ungefähr acht Jahre alt war, hat sie eine Geschichte über einen Jungen geschrieben, der in einen alten Grubenschacht fällt und im viktorianischen Zeitalter wieder aufwacht. Damit hat sie einen Literaturwettbewerb gewonnen. Ich habe ihr geholfen, indem ich ihr erzählt habe, wie es unten in den Gruben war. Sie hat gesagt, Opa, erzähl mir, wie es war, du warst doch dort! Ich habe gesagt, na hör mal, junge Dame, so uralt bin ich jetzt auch wieder nicht! Haha! Aber für die Geschichte hat sie einen Preis gewonnen. Vielleicht steckt sie irgendwo in dem Ordner, bei den ganzen anderen Sachen. Schauen Sie mal, die Seiten mit der kleinen Rosette drauf, ganz oben, da ungefähr.«
    Er nahm einen Schokoriegel von dem Teller, den seine Frau für uns bereitgestellt hatte, und deutete damit zittrig auf den Ordner. Kekse und schmale Stücke selbstgebackenen Obstkuchens waren um eine Schokoladeneistorte drapiert, eine exotische Orchidee vor dem gediegenen Rosenmuster des Porzellans. Die Augen des Terriers folgten dem Leckerbissen, wohl in der Hoffnung, er würde herunterfallen.
    Ich blätterte behutsam durch die DIN-A4-Seiten und zog ein verblichenes Papierbündel heraus, das sich steif anfühlte in der Hand und genauso vertrocknet war wie die einstmals rote Rosette, die es zierte. Der alte Mann streckte die knorrigen Finger seiner anderen Hand aus und griff nach der Vergangenheit. Seine Frau wartete diskret einen Moment lang ab, bevor sie mir das Bündel abnahm und die letzten Zentimeter zu seiner Hand überbrückte. Seinem Stolz zum Trotz und der Entschlossenheit, in Anwesenheit von Frauen nicht zu weinen, kullerten lautlos zwei dicke Tränen über seine Wangen – aus jedem Auge eine.
    »Manchmal überkommt es ihn«, sagte sie entschuldigend, als wäre er taub, nicht bloß traurig. »Komm schon, Glyn, trink deinen Tee aus.« Mit einem Taschentuch, das sie aus der Tasche seiner Strickjacke zog, tupfte sie ihm wie einem Kind, das sich auf der Straße schmutzig gemacht hat, das Gesicht ab. »Sonst musst du wieder inhalieren. Willst du das?«
    Er winkte ab. »Jetzt mach nicht so einen Wirbel, Vi.« Er nippte an seinem Tee und konzentrierte sich darauf, mit seiner schwarzen Lunge unter der himmelblauen Strickjacke ruhig zu atmen.
    »Es tut mir leid, Mrs Morgan. Ich wollte Sie beide nicht aus der Fassung bringen.«
    Ich war eigentlich nur gekommen, um bessere Fotos und ein paar menschliche Aspekte abzustauben, die dem Fall Jenny neues Leben einhauchten: Familienerinnerungen, glühende Worte, herzerwärmende Anekdoten mit der Toten in der Hauptrolle. Aber ich bereute meinen Besuch bereits. Die beiden waren so verdammt nett. Altmodische Großeltern in ihrer altmodischen Welt, die ihre altmodische Trauer mit Kuchen und Würde bekämpften.
    »Machen Sie sich

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