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Saat der Lüge

Saat der Lüge

Titel: Saat der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Jones
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Hause zu fahren. Unter Mikes Handynummer war nur die Mailbox erreichbar. Nachdem wir fast eine halbe Stunde fröstelnd an der Straßenecke gewartet hatten, tauchte endlich das Taxi auf – mit deutlicher Verspätung. Das Gedränge war immer noch groß, und obwohl wir laut unsere Namen riefen, versuchten andere Discobesucher, den Wagen heranzuwinken und unelegant zum Türgriff zu hechten. Zum Glück war Stevie schneller und zeigte sich überraschend durchsetzungsstark. Keiner von uns wollte Mike zurücklassen, aber wenn wir unser Taxi sausen ließen, saßen wir sicher bis Sonnenaufgang im kalten und inzwischen auch nassen Herzen der Stadt fest.
    Nachdem wir Stevie an seiner Wohnung abgesetzt hatten, fuhren wir weiter zu Cora. Neben ihr auf der Rückbank zu sitzen war, als säße man neben einem Tornado. Ich spürte, wie ihr Zorn immer weiter werdende Kreise um sich zog und die Atmosphäre derart auflud, dass mir fast die Haare zu Berge standen. Sie sagte keinen Ton, und nachdem ich keine Antwort erhielt auf mein plattes »Ich bin sicher, dass es ihm gut geht, wahrscheinlich hat ihn irgend so ein Idiot in ein Gespräch verwickelt«, schwieg auch ich, dankbar für das Geschwafel des Taxifahrers, der sich mit beängstigender Geschwindigkeit durch die glänzenden, regennassen Straßen schlängelte.
    Kurz darauf standen wir im Flur, und ich schüttelte meinen Regenschirm aus. Der Anrufbeantworter blinkte. Mit einem Satz stand Cora daneben und ließ den Finger auf den Knopf hinuntersausen. Mikes Stimme erklang, verzerrt vom üblichen Handyknistern. Im Hintergrund schienen Autos vorbeizufahren.
    »Sorry, ihr Süßen, ich muss euch irgendwie verloren haben. Wenn ich kein Taxi auftreiben kann, laufe ich nach Hause oder übernachte bei Gabe, wenn es hart auf hart kommt. Er schmeißt heute seine übliche After-Match-Party. Es gießt mittlerweile in Strömen. Hab kein Guthaben mehr. Kuss.«
    »Ich geh ins Bett«, sagte Cora ausdruckslos. »Fühl dich wie zu Hause und mach dir Toast, wenn du willst. Ich habe keinen Hunger. Stell den nassen Schirm doch bitte in den Schirmständer, sonst gibt es Flecken auf dem Parkett. Wir sehen uns morgen früh.«
    Ich seufzte ihren gebeugten Schultern vom Fuß der Treppe aus hinterher und schob meinen Schirm vorsichtig in den langen Blechkanister, der ein bisschen wie eine abgesägte Gewehrpatrone aussah. Dann hängte ich meine Jacke an einen schmiedeeisernen Kleiderhaken, der mich an Grundschulzeiten erinnerte. Ich war nicht müde und trottete daher in die Küche, wo ich auf der Suche nach Essbarem zaghaft diverse Schränke öffnete, bemüht, keinen Lärm zu machen. Dabei sah ich alle paar Minuten auf die Uhr. Ich verschmähte das Vollkorn-Knäckebrot aus dem Bioladen und entschied mich stattdessen für Erdnussbuttertoast, der eine seltsam tröstliche Wirkung entfaltete.
    Ohne das Licht einzuschalten, rollte ich mich im Wohnzimmer auf einem schwammartigen Polstersessel zusammen und sah aus Rücksicht auf Cora mit Untertiteln fern. Von oben war kein Mucks zu hören. Ich spitzte die Ohren nach Schritten auf der Straße oder einem Schlüssel, der ins Schloss gesteckt wurde. Die Fahrt von der Stadt hatte nur eine Viertelstunde gedauert, und im Charlie’s hatten sie die letzten zögernden Gäste bestimmt längst vor die Tür gesetzt. Andererseits: Wie sollte Mike ein Taxi aufgetrieben haben? Er hätte natürlich zu Fuß gehen können, was etwa eine halbe Stunde gedauert hätte, auf alkoholschweren, schwankenden Beinen bei strömendem Regen vielleicht auch eine Stunde.
    Ich redete mir ein, dass es mir vorrangig um sein Wohlergehen ging. Schließlich war es spät in der Nacht; irgendjemand konnte ihn überfallen oder ihm eins übergebraten haben, weil er sein Bier umgestoßen oder seine Braut angeschaut hatte oder sich einen Dreck um Rugby scherte oder geschwollen daherredete.
    Als meine Augenlider eine Stunde später den Kampf gegen Jack Daniel’s aufgaben, kletterte ich müde in mein Bett im Gästezimmer. Das ganze Haus lag friedlich schlafend da, während mein Atem unter der nagelneuen Gästedecke immer gleichmäßiger wurde und ich in einen traumlosen Schlaf fiel. Zweimal wachte ich auf und glaubte, das Geräusch eines Autos oder Taxis und das Zuschnappen der Haustür gehört zu haben, aber da keine Schritte auf der Treppe zu hören waren, musste ich mich wohl getäuscht haben.

Der Morgen danach
    A ls ich mich ins Schlafzimmer schlich, saß Cora zusammengesunken und in Tränen aufgelöst an

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