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Saat der Lüge

Saat der Lüge

Titel: Saat der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Jones
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ihrer Frisierkommode. Sie musste schon eine ganze Weile so dagesessen und sich zwischen Bergen von nassen, vollgerotzten Papiertaschentüchern in einer selbst produzierten Pfütze gesuhlt haben, denn sie sah ebenfalls ganz feucht und durchgeweicht aus.
    Dabei murmelte sie immer und immer wieder Mikes Namen. Bestürzt blieb ich im Türrahmen stehen, weil ich nicht wusste, ob sie mich gesehen hatte oder ob sie ihrerseits gesehen werden wollte. Nach zu viel Alkohol hatte Cora schon immer etwas zu Melodramatik geneigt, aber jetzt war es zehn Uhr morgens, und vor mir saß eine neue Cora. Cora, die Lehrerin. Älter und womöglich weiser, mit längeren Haaren, teureren Klamotten, einem Haus und einem Auto, zwei Autos sogar, einem modernen Umluftofen und geschmackvollen Vorhängen und Teppichen mit zahllosen dazu passenden Kissen.
    Sie schien überrascht, mich zu sehen. Als wäre ich die letzte Person auf Erden, die sie erwartet hatte oder sehen wollte. Ich verstand nicht ganz warum, denn sie wusste ja, dass ich nur eine Wand entfernt in ihrem schicken, in Rosatönen gehaltenen Gästezimmer übernachtet hatte. Einen Moment lang sah ich etwas in ihren Augen, das Unbehagen und Schuldgefühle in mir auslöste und Erinnerungen wachrief.
    Eine Welle der Frustration überrollte mich, und ich musste mich am Türrahmen festhalten. Es war offensichtlich, dass sie ihn immer noch aufrichtig liebte, so wie sie ihn immer geliebt hatte, auf diese bedingungslose Weise, die mich manchmal rasend vor Wut und Hass machte. Ich wollte sie beim schlaffen, vom gestrigen Haarspray strähnigen Haar packen, ihr den Kopf zurückreißen und ihr ins Gesicht brüllen: »Warum bist du nicht glücklich, du blöde Schlampe?« Oder kamen diese Gefühle erst später? Egal.
    Ich ließ ihr einen Augenblick Zeit, sich die Nase zu putzen, und versuchte, mich in die Zeit zurückzuversetzen, als wir noch enge Freundinnen gewesen waren. Was hätte ich damals zu ihr gesagt?
    »Er ist nicht nach Hause gekommen«, murmelte sie. »Er hat mir zwar dieses Ammenmärchen aufgetischt, dass er bei Gabe übernachtet, aber ich weiß genau, wo er war. Oder vielleicht sollte ich lieber sagen, bei wem.«
    Er war also nicht nach Hause gekommen. Irgendwie war ich davon ausgegangen, dass er wie durch ein Wunder wieder aufgetaucht war, während ich nebenan meinen Rausch ausgeschlafen hatte.
    Ihre Wut, ihr verheultes Aussehen und ihre Hilflosigkeit machten mich ganz zaghaft und stumm. Ich wartete.
    »Du glaubst doch nicht wirklich, dass er mit ihr zusammen war, oder?«, fragte ich, als sich die Stille bis zum Zerreißen gedehnt hatte.
    »Wo soll er denn sonst die ganze Scheißnacht gewesen sein?«
    Der mit gut gezielter Gehässigkeit geäußerte Kraftausdruck prallte von der Zimmereinrichtung ab, bevor ihr Blick wieder einen flehenden Ausdruck annahm und von Tränen überschwemmt wurde. Sie bat mich wortlos, ihren Verdacht nicht laut auszusprechen. Ich wusste natürlich sofort, was sie meinte. Auch in meinem Kopf spukte dieser unausgesprochene Gedanke herum.
    »Was meinst du? Wo denn?«, fragte ich sanft und bot ihr ein zerknülltes Papiertaschentuch aus meiner Hosentasche an.
    »Na, bei ihr! Bei dieser blöden Scheißnutte mit ihren Titten und Fingernägeln und ihrem ewigen ›Oh Mike, du bist so wahnsinnig witzig!‹.«
    Titten und Nutte – es stand schlimmer, als ich gedacht hatte. Ich musste mit Bedacht vorgehen. Krampfhaft versuchte ich, mich an meine Taktik von damals zu erinnern: Spiel die Unwissende und warte, bis sie alles rausgelassen hat. Danach hilft ein wenig gesunder Menschenverstand.
    »Du meinst diese Jenny ?«, fragte ich mit vorgetäuschter Verwirrung.
    »Natürlich meine ich diese Jenny. Wen denn sonst? Wer sonst würde einfach so meinen Mann vögeln?«
    Ich zögerte und überlegte, was ich jetzt am besten sagte. Ich war etwas aus der Übung.
    »Ich weiß genau, wie Michael tickt«, fuhr sie fort. »Für ihn ist das alles nur ein Spiel, das Tanzen, das Flirten. Aber für sie nicht.«
    Ihre Stimme war jetzt ganz schrill, fast hysterisch. Also setzte ich mich aufs Bett, um aus sicherer Entfernung beruhigend auf sie einzuwirken. Aber sie sprang sofort auf und ging im Zimmer auf und ab, und dabei zog sie eine Spur aus Klopapierfetzen hinter sich her. Ich war durcheinander und fühlte mich seltsam unzulänglich und unehrlich. Obwohl so viel Zeit vergangen war, hatte sich so wenig verändert. Ich hatte keine Ahnung, wie all die Tage im Ausguss verschwunden waren, wie sie

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