Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Saat der Lüge

Saat der Lüge

Titel: Saat der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Jones
Vom Netzwerk:
gerutscht waren.
    »Hallo, Mädels«, hieß sie uns auf unserer eigenen Party willkommen. »Die Jungs haben gerade erzählt, dass dieser Abend für euch alle wie eine Zeitreise zurück ins Studentenleben ist. So was wie ein Wiedersehenstreffen.«
    Die Jungs. Ich glaube, Cora und ich zuckten beide zusammen. In Sachen Vertraulichkeit war sie bereits einen entscheidenden Schritt zu weit gegangen. In wie viele Fettnäpfchen konnte man innerhalb einer knappen halben Stunde treten? Was dachte sich diese Tussi eigentlich?
    »Jenny sagt, dass das Spice samstags ganz gut ist. Vielleicht sollten wir später die Location wechseln«, schlug Stevie eifrig vor. »Mal was Neues ausprobieren?«
    Das Spice : Wodka-Shots in verschiedenen Geschmacksrichtungen, eine Neonwand als Bar und Kellnerinnen wie aus der Gap-Werbung, die mit langbeiniger, lässiger Arroganz Drinks servieren. Dazu viel Chrom und ein städtisches Publikum mit ironisch bauchfreien Outfits. Aber Cora machte die Idee sofort zunichte.
    »Wohl eher nicht. Wir stehen nicht so auf diese übertriebene Elektrokacke – zu monoton, es sei denn, man hat sich vorher Ecstasy gespritzt. Ich mag lieber Musik, die man auch als solche erkennt und zu der man herumhopsen kann.« Ich stöhnte innerlich auf.
    »Ecstasy? Gespritzt?«, fragte Jenny amüsiert. »Die Britpop-Generation hat gesprochen!« Dann lachte sie doch tatsächlich, gutmütig und leichthin. Ebenso gut hätte sie Cora gleich als alt bezeichnen können. »Muss vor meiner Zeit gewesen sein.« Sie war geschätzte vierundzwanzig, konnte also nicht mehr als fünf Jahre jünger sein als wir. Kein Zweifel, sie nannte uns alt. »Ich persönlich muss einfach aufstehen und tanzen.«
    »Also? Willst du?«, fragte Stevie.
    »Ja, nichts wie los!«, sprang ihm Mike zur Seite. Innerhalb von Sekunden waren beide auf den Beinen. Wie hätten wir da nicht mitgehen können?
    Das Tanzen war noch schlimmer als das Herumsitzen und Reden, als ihr Haare-Zurückstreichen und Beine-Ausstrecken und ihre nassen Lippen auf dem Weinglas. Viel schlimmer.
    Mike und Stevie sabberten zwar nicht direkt vor Geilheit, dafür waren sie zu schlau. Aber Mike berührte mich nicht mehr und tänzelte auch nicht zum Rhythmus der Musik zu mir herüber. Genauso gut kann er sie hier direkt auf der Tanzfläche vernaschen, dachte ich. Etwas Dunkles versetzte mir innerlich Nadelstiche, am liebsten hätte ich geheult. Schon spürte ich ein heißes Stechen unter den Lidern, und meine Brust schnürte sich zusammen. Es konnte unmöglich schon Mitternacht sein. Das Aschenbrödel hatte sich noch nicht in ein Lumpenmädchen zurückverwandelt, mir blieb genug Zeit, die Prinzessin zu spielen.
    Jetzt, wo der Alkohol seinen eigenen Rhythmus entfaltet hatte und die Menschen auf die Tanzfläche trieb, konnte man sich kaum noch bewegen. Zum Glück waren nur noch wenige Rugbyfans übrig. Sie trugen immer noch ihre Kriegsbemalung und versuchten, die Mädchen zu begrapschen oder sie lallend in Gespräche zu verwickeln, die vor vier Stunden noch schlicht langweilig gewesen wären und nun gar nicht mehr zu verstehen waren. Aber auch ohne Rugbyfans war es gefährlich voll, und die Atmosphäre heizte sich immer mehr auf.
    Manche tranken schon seit dem Mittag oder sogar noch länger und waren tickende Zeitbomben. Ein einziges falsches Wort konnte einen Hagel aus Fäusten und Füßen nach sich ziehen. Während die Scherben unter unseren Schuhen knirschten, wurden wir auf der Tanzfläche immer wieder auseinandergerissen, von hinten angerempelt oder in Zweier- und Dreiergrüppchen zerteilt, ohne dass wir irgendetwas dagegen tun konnten.
    Einmal wurden Mike und Jenny von einer Woge aus Tanzenden zusammengedrängt, und ich sah, wie sie sich dicht an ihn heranlehnte und ihm etwas ins Ohr raunte. Keine Ahnung, was sie sagte, oder ob er sie verstand. Inzwischen war es so laut, so pulsierend und primitiv, dass er vermutlich gar nichts verstehen konnte. Aber ich hätte schwören können, dass er antwortete: »Nicht jetzt.« An sich ganz harmlos, es sei denn, diese zwei Worte enthielten implizit etwas Unausgesprochenes. Ein Wort nämlich: später.
    Als versehentlich jemand ein Guinness über Cora auskippte, das sich in einer braunen Sturzflut über ihre Kleider ergoss, gaben wir uns geschlagen und kehrten zur Bar zurück. Stühle gab es genug, da alle anderen immer noch ihren Kampf auf der Tanzfläche ausfochten, Hand an Hand und Hüfte an Hüfte. Es war der Wendepunkt dieser Nacht. Die

Weitere Kostenlose Bücher