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Saat der Lüge

Saat der Lüge

Titel: Saat der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Jones
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und auch die Jungs schien es nicht weiter zu stören.
    Cora versuchte, Mike aus seiner Konzentration zu reißen, indem sie ihn am Ärmel zupfte und ihm zuraunte, sie müsse mal zur Bar. Auf dieses Stichwort hin hätte er eigentlich anbieten müssen, mit ihr zu gehen, statt einen in der Nähe stehenden Barhocker heranzuziehen, sich darauf niederzulassen und zu sagen: »Wir warten hier auf dich und halten dir einen Platz frei. Für mich ein Stella, bitte.«
    Cora richtete den Blick auf mich. Ich wusste, was sie von mir erwartete, aber ich hatte keine Lust, sie zu begleiten. Ich wollte die Unterhaltung und Mikes Blicke wieder dahin zurücklenken, wo sie hingehörten. Weg von Jennys Lachen. Weg von Jennys Rock. Cora packte meine Hand und zog mich zur Damentoilette.
    »Wer ist das denn?«, wollte sie wissen. Ihre Verbitterung umgab sie in einer fast greifbaren Aura der Gereiztheit. »Wer denkt die eigentlich, wer sie ist? Sich hier einfach so reinzudrängeln! Ist das eine Kollegin von dir?«
    »Nein, absolut nicht. Ich dachte, du würdest sie kennen«, antwortete ich auf der Treppe zu den Toiletten.
    Die waren in der Zwischenzeit generalüberholt worden und stanken nicht mehr ganz so schlimm nach Erbrochenem. Niemand stopfte mehr Jacken hinter die kaputten Spülkästen oder pinkelte in die Einzelwaschbecken mit den veralteten Wasserhähnen. Es gab überhaupt keine Waschbecken mehr. Stattdessen waren die Wände mit hohen Spiegeln und dunklen Fliesen verkleidet, und es gab einen dieser zweigeteilten, an ein Vogelbad erinnernden Gemeinschaftswaschtische aus Metall, bei denen das Wasser nach unerfindlichem Muster aus unvorhersehbaren Öffnungen spritzt.
    Im Schein der nüchternen Spotlights sah mein Gesicht bleich und überbelichtet aus, als ich vor dem Spiegel eine weitere Schicht Lipgloss auftrug.
    »Ich hab sie noch nie vorher gesehen«, zeterte Cora weiter. »Was für ein Flittchen! Hast du gesehen, wie sie sich an Mike ranschmeißt? Ist sie vielleicht eine dieser Schlampen aus seiner Agentur?«
    »Keine Ahnung, aber sie kommt mir irgendwie bekannt vor. Vielleicht arbeitet sie bei einer Partnerfirma von Jackson’s. Stevie scheint sie zu mögen«, sagte ich zur Tür von Coras Kabine hin und lenkte das Gespräch damit auf sicheres Terrain.
    »Ist mir völlig unerklärlich. Die ist doch gar nicht sein Typ, oder? Viel zu billig für Stevie.«
    Jenny war nicht billig, aber ich widersprach Cora nicht, weil ich genau wusste, was sie meinte: Stevie war so … nun ja, nett und vernünftig, beinahe brüderlich. Und Jenny war … offenherzig. Sie war ein gut konzipiertes Gesamtpaket, nicht nuttig, dafür war sie zu gepflegt, aber auf raffinierte Weise anzüglich.
    »Woher willst du das wissen?«, konterte ich leichthin. »Vielleicht hat Stevie ja einen heimlichen Domina-Fetisch oder so was. Schließlich verbringt er seine Tage mit Politikern.«
    Ich sagte das nicht nur, weil die Vorstellung, Stevie könnte insgeheim auf SM stehen, so lächerlich war, sondern auch, weil Jennys dunkler Eyeliner und ihre Lederstiefel ihr ein unerbittliches Aussehen verliehen, so als verberge sich hinter der pfeilgenauen Präzision ihres Lächelns der Wunsch, man möge sich ein wenig vor ihr fürchten und es gleichzeitig genießen. Ein Spielchen, das eine Zeitlang ganz amüsant sein konnte.
    Aber Cora lachte nicht.
    »Wir sollten sie trotzdem so schnell wie möglich abschütteln«, fauchte sie. »Sonst müssen wir die ganze Nacht dieses Gerede und Gekicher und Stevies kokette Blicke ertragen. Zum Kotzen.«
    Ich grinste. »Lass uns ein paar Jack Daniel’s kippen und tanzen gehen. Wenn wir zurückkommen, hat sie sich bestimmt längst verzogen und hält nach fetterer Beute Ausschau.«
    Cora zog die Spülung, kam aus der Kabine und strich sich die Bluse über dem runder gewordenen Bauch glatt. »Außerdem ist sie viel zu fett für ihren kurzen Rock«, erklärte sie.
    So einfach ging das. Jenny war in der Schublade. Der Schublade für ungefährliche, entschärfte Konkurrenz. Der Schublade mit der Aufschrift »zu dick, zu unattraktiv, zu dumm, zu billig«. Der Schublade, in der alle Frauen ihre Rivalinnen unterzubringen versuchen, ob sie nun hineinpassen oder nicht. Aber Jenny trat mit aller Macht gegen die Schubladenwände, denn als wir von der Bar zurückkamen, hatte sie sich weder verzogen noch sich auch nur einen Zentimeter vom Fleck bewegt. Sie schmiegte sich noch immer kichernd an die Theke, nur dass Rock und Lachen inzwischen ein wenig höher

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