Saat der Lüge
war sie immer noch meine beste Freundin. Also beschloss ich, an Halloween mit ihr um die Häuser zu ziehen, um sie ein wenig aufzuheitern. Ich nahm mir vor, mich ganz besonders anzustrengen, ihr eine gute Freundin zu sein, und fühlte mich sehr tugendhaft dabei.
Das Problem war nur, dass der Currymann wieder angefangen hatte, mir vor dem Zeitungsgebäude aufzulauern. Die Angst, er könnte noch mehr Geld verlangen, beherrschte meine Gedanken, und so beging ich, müde und besorgt, einen dummen Fehler. In einem unüberlegten Versuch, Coras Vertrauen zurückzugewinnen, erzählte ich ihr von der Erpressung.
Ich war natürlich vorsichtig und sagte nur, ein Mann behaupte, gesehen zu haben, wie Jenny mit einer Gruppe von Leuten den Club verließ. Er habe uns alle miteinander sprechen sehen, als er sich im Eingangsbereich aufgewärmt habe, und drohe nun, damit zur Polizei zu gehen. Die Geschichte enthielt einen Funken Wahrheit, gerade genug – so hoffte ich –, um Cora auf meine Seite zu ziehen.
»Was ist daran so schlimm? Du hättest es doch einfach abstreiten können«, sagte sie verwundert.
»Ja, aber die Polizei hätte trotzdem mit uns allen sprechen müssen und dadurch vielleicht herausgefunden, dass sowohl Mike wie auch Jenny in der PR -Branche gearbeitet haben. Es hätte vielleicht seltsam gewirkt, dass wir nicht vorher schon zur Polizei gegangen sind – schließlich haben wir sie doch an dem besagten Abend gesehen.«
»Aber beim letzten Mal hast du gesagt, dass es nicht wichtig genug schien, um zur Polizei zu gehen, weil wir ja eigentlich gar nichts zu erzählen hatten.«
»Ja, aber es geht weniger darum, wie es damals wirklich war, als darum, wie es heute vielleicht aussieht.«
»Aber wir beide waren doch die ganze Zeit zusammen, und Gabe würde Mike doch sicher ein Alibi geben, oder? Er war doch die ganze Nacht auf seiner Party?«
»Schon, aber Gabe ist leider zu verpeilt, um sich zu erinnern, wer alles da war. Außerdem wäre dann immer noch die Zeit zwischen Mikes Verlassen des Clubs und seiner Ankunft bei Gabe offen. Die Polizei könnte der Meinung sein, dass dieses Zeitfenster groß genug und daher verdächtig ist.«
»Ja, das könnte sie wohl. Weil es tatsächlich verdächtig ist«, sagte Cora mit abwesendem Blick.
»Ich wollte es dir sagen, weil ich keine Geheimnisse mehr vor dir haben möchte«, erklärte ich. »Du scheinst irgendwie immer zu glauben, dass ich dir nicht alles anvertraue, deshalb tue ich es hiermit. Ich wollte Mike und dich aus der ganzen Sache raushalten.«
Das entsprach sogar halbwegs der Wahrheit. Ich glaubte, dass sich Cora besser fühlen würde, wenn ich sie davon überzeugte, dass ich sie gern hatte und ihr vertraute, und wenn sie wieder das Gefühl hatte, ganz Teil unserer Runde zu sein, ein wesentlicher Bestandteil statt ausgeschlossen. Na gut, vielleicht wollte ich insgeheim auch mir selbst ein besseres Gefühl geben, weil ich ihr in letzter Zeit eine so schlechte Freundin gewesen war.
Nachdem sie eine Weile darüber nachgedacht hatte, fragte Cora: »Habt ihr ihm Geld gegeben?«
»Nur fünfzig Pfund, damit er Ruhe gibt. Schien einfacher, als die Polizei einzuschalten.«
»Was, wenn er es weitererzählt?«
»Dann steht unser Wort gegen seins. Aber wir wollten ihn nicht wegen der paar Mäuse vor den Kopf stoßen.«
»Findest du nicht, dass es jetzt erst recht so aussieht, als hättet ihr etwas zu verbergen?« Da hatte sie nicht ganz unrecht. Jetzt, wo sie es sagte, fand auch ich, dass es so aussah, ja, es wirkte sogar eindeutig belastend. Aber wir schweiften vom Thema ab.
»Keine Sorge, Cora«, besänftigte ich sie, »ich kümmere mich darum. Ich sorge dafür, dass wir alle heil aus der Sache herauskommen.«
James geht ein Licht auf
W ir trafen uns direkt nach meiner Schicht zum großen Cora-Aufmunterungs-Abend. Das The George ist so etwas wie ein Stammlokal für Journalisten, wahrscheinlich wegen seines gemütlichen, aber etwas zu dick aufgetragenen Fleet-Street-Charmes mit der alten Holzverkleidung und den kleinen abgetrennten Sitzecken im hinteren Bereich. Ansonsten gab es noch das Goat Major, in dem Fotos vom Maskottchen der Welsh Guards, einer Ziege, neben einem knisternden offenen Feuer hingen, und die neuen Bars, die sich im edwardianischen Ambiente der alten St. Mary Street wie Kaninchen zu vermehren schienen und in denen man auf edlem Parkett exorbitant teure Gläser Wein und köstliche Cappuccinos von der Farbe der behaglichen Ledersofas zu sich nehmen
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