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Saat der Lüge

Saat der Lüge

Titel: Saat der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Jones
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Gespräche zurückgeschlichen, mischte sich in jeden Moment des Schweigens, jede Atempause beim Lachen. Irgendetwas musste zwischen Jenny und Mike gelaufen sein, davon war sie überzeugt. Ihre Anspielungen machte sie jetzt offen, wenn wir vier zusammen waren, die Vorwürfe und die Fragen äußerte sie nur, wenn sie mit mir allein war. In Sekundenschnelle konnte sie zwischen Melodram und Märtyrertum hin und her schalten, und nach ein paar Drinks blitzte die Wut der betrogenen Geliebten im beschleunigten Takt ihres zum Mund geführten Wodkaglases auf. Es war ermüdend.
    Das arktische Schweigen, mit dem sie immer häufiger auf meine Geduld reagierte, und ihre gelegentlichen Anfälle erhöhter Wachsamkeit begannen mich zu reizen wie Nadelstiche, mich ins Fleisch zu ritzen, mir auf den Nerven herumzutrampeln, mir die Tränen in die Augen zu treiben.
    Ganz langsam verwandelte sie jeden friedlichen Moment in einen Akt der Buße – man empfand ihre Gegenwart als Strafe und schämte sich hinterher dafür. Mike fing an, mich wie ein reuiger Sünder um Rat anzuflehen, verwirrt und traurig, weil er, sosehr er sich auch bemühte, nicht verstand, warum sie gereizt und weinerlich und grob wurde, weil er es nicht schaffte, sie zu besänftigen oder die alte nachgiebige Cora wieder hervorzulocken.
    Im Laufe des Oktobers beschoss sie mich wieder und wieder mit ihren Verdächtigungen, beim Mittagessen, im Café, am Telefon. Dann fing sie an, das gefürchtete Wort wie eine Waffe zu schwingen, säbelscharf, bereit, einem die Haut aufzuschlitzen: ficken. Hatten sie gefickt? In jener Nacht? Vorher schon? Das Wort, der Gedanke, die Überzeugung war so zerstörerisch geworden, dass sie sie nicht mehr abstreifen konnte – sie hatte sich längst tief unter ihre Haut gegraben.
    Je mehr Zeit verging, desto mehr trank sie. Je mehr sie trank, desto launischer und aggressiver wurde sie. Manchmal ergriff auch eine andere, sanftere Stimmung von ihr Besitz, dann wurde sie rührselig, nahm meine Hand und sagte: »Du bist meine beste Freundin, Lizzy, meine allerbeste«, so als wünschte sie sich verzweifelt, dass ich ihr glaubte.
    So war Cora also ein Jahr danach. Sie zerbrach zusehends und war gleichzeitig bestrebt, alles um sich herum ebenfalls in Stücke zu schlagen.
    Das brachte Komplikationen mit sich. Coras Launen machten es mir und Mike so schwer wie noch nie, uns zufällig zu begegnen oder unsere kleinen Ausflüge ins Theater einzufädeln. Wohin er auch ging, er musste jedes Mal ein Verhör über sich ergehen lassen. Das trieb mich in den Wahnsinn. Ich verstand nicht, warum sie es nicht einfach dabei bewenden lassen konnte. Ich hatte es doch fast geschafft, uns unbeschadet in ruhigere Gewässer zu steuern. Das war doch alles schon so lange her, oder nicht? Warum fing sie jetzt wieder damit an?
    Eine Woche vor Halloween hatten sie und Mike – mal wieder – einen größeren Streit. Er hatte ihr endlich nahegelegt, zum Arzt zu gehen und sich Antidepressiva oder etwas Ähnliches verschreiben zu lassen. Irgendetwas, aber so ging es nicht weiter. Sie war wütend geworden und hatte geschrien, dass ihm das so passen würde, dass sowieso alles seine Schuld sei, warum sie es ihm so leicht machen solle. Danach wechselten sie tagelang kaum ein Wort miteinander. Mike sah schon seit Wochen völlig erschöpft aus, aber ich hatte geglaubt, dass er übertrieb und nur Mitleid erregen wollte. Jetzt vermutete ich eher das Gegenteil.
    Ich hatte schon einmal miterlebt, wie ihn Cora für eine kleinere Verfehlung bestrafte – er hatte es damals versäumt, lange versprochene Konzertkarten zu bestellen. Fasziniert hatte ich ihr dabei zugesehen und war, ich gebe es zu, beeindruckt gewesen von der Präzision ihrer Folter. Eine Woche lang hatte sie durch kühlen Liebesentzug an seinen Nerven gesägt, während er seinen Fehltritt mit heraushängender Zunge wiedergutzumachen versuchte, sie mit den Augen um Vergebung anflehte, sie mit Süßigkeiten und Schokolade überhäufte, bis sie ihm peu à peu erlaubte, sie zu erweichen und ihre Gunst zurückzugewinnen – ein beinahe mittelalterliches Ritual, höfisch und auch ein wenig traurig.
    Aber das hier war schlimmer. Weniger künstlich, weniger vorhersehbar. Ich verstand, warum Mike nicht mehr weiterwusste. Er kannte sich aus, was stumme Abbitte und Wiedergutmachung anging, aber auf das hier war er nicht vorbereitet.
    Cora strapazierte meinen allerletzten Nerv. Ich wollte nicht, dass sie so unglücklich war, schließlich

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